Leichtfüßiges Zwiegespräch

Ob beim Tango oder Standard-Tanz, ob lesbisch oder hetero: Immer mehr Frauen genießen die tänzerische Führungsposition  ■ Von Julia Lee

Tangonacht im Schauspielhaus. Der Kronleuchter hängt seine vielen kleinen Kristallsteine tief in den Raum hinein. Als hätte er Flügel, bilden die Scheinwerfer ausgestreckte Schatten an seiner Seite ab. Tanz für Tanz werden neue Liaisons eingegangen. Im gedämpften rotblauen Licht bewegen sich auch einige Frauenpaare. Irgendjemand Bekanntes setzt sich am Nachbartisch dazu. Küßchen links, Küßchen rechts, kurze Konversation, dann richtet sich die Aufmerksamkeit wieder auf die Tanzfläche.

Der schlaksige Informatiker in der zu kurzen weißen Bundfaltenhose hat sich vergeblich auf Eroberungszug begeben. Sie müsse ihr Getränk noch austrinken, beim nächsten Tanz vielleicht ..., ziert sich die drahtige kleine Argentinierin und nippt an ihrem Sektglas. Bei der Evita-Imitation mit der auftoupierten Federboa sieht man hin und wieder das Strumpfband unter dem langen Schlitz des Kleides hervorblitzen. Höher solle sie ihr Bein werfen, raunzt sie ihr Tanzpartner mit der Handvoll zuviel Glanzgel im Haar an.

Kurze Augen-Blicke. Zwei in Schwarz gekleidete Frauen stehen auf und beginnen auf dem Parkett des Marmorsaales zu tanzen. Noch ein bißchen unsicher setzt die Geführte ihre Schritte. Lächeln. Behutsam gibt die Führende einen neuen Impuls, und die zwei schwarzen Gestalten verlieren sich im hinteren Teil des Raumes.

„Meinen ersten Tangoworkshop habe ich angefangen, weil ich die modernen Tangos, besonders Piazolla, so gerne gehört habe“, sagt Marga Nagel, die an diesen Abenden im Schauspielhaus die Musik auflegt. „Daß ich als Lesbe mit einer Frau tanze, war von Anfang an selbstverständlich.“Die ersten Tangokurse für Schwule, Lesben und Heteros wurden bereits vor 13 Jahren im leider inzwischen verblichenen Schwulenlokal „Tuc Tuc“in Altona angeboten. Zwei miteinander tanzende Frauen sind auf den Hamburger Tanzflächen keine Seltenheit. „Immer mehr Heterofrauen kriegen Lust zu führen“, erzählt Marga, die auch zweimal in der Woche in der Frauenkneipe in der Stresemannstraße Tango unterrichtet.

In dem Standard- und Latein-Tanzkurs der selbstorganisierten Eimsbüttler Mädchentanzgruppe üben die Mitglieder von Anfang an Frauen- und Männerschritte. „Ich habe dadurch einfach mehr Wahlmöglichkeiten“, erzählt Andrea. „An manchen Tagen ist mir halt danach zu führen, an anderen möchte ich lieber geführt werden.“Den Mädchen geht es nicht um sportive Höchstleistungen. Das Unterrichtstempo wird bewußt langsam gehalten. Alle paar Wochen wird dann gemeinsam entschieden, was gelernt werden soll.

Bei den Tanzabenden im Marmorsaal des Theaters erlebt Marga Nagel oft, wie Paare auf dem vermeintlichen „Nebenschauplatz“ihre real in der Gesellschaft existierenden Rollen viel offener ausleben. „Wenn ich geführt werde, habe ich das Gefühl, daß Frauen mir oft mehr Raum geben“, sagt sie. „Frauen kommunizieren beim Tanzen wahrscheinlich mehr. Während die Führende vorschlägt, wann was gemacht werden kann, antwortet die Geführte mit dem Wie.“

Die Führungsfrage ist auch für Katja von der Eimsbüttler Mädchentanzgruppe eines der entscheidenden Kriterien, mit Frauen zu tanzen: „Vielleicht könnte man offene Kurse, wo beide Partner die Rollen gleichberechtigt tanzen, auch mit Männern machen“, überlegt sie. Und schränkt gleich wieder ein: „Aber ich habe es noch nie erlebt, daß ein Mann sich ernsthaft von mir führen läßt.“

Ta(n)z-Tips:

– Tangoabende finden nach der Sommerpause wieder an einem Samstag im Monat im Deutschen Schauspielhaus statt. Genaue Termine werden im aktuellen Theater-Programm angekündigt.

– Standard-Tanzabende für Frauen gibt es jeden vierten Dienstag im Monat im Haus Drei, Hospitalstraße, und Sonntag abends im Sphinx, Mendelssohnstraße 15a, und in der Frauenkneipe, Stresemannstraße 60.

– Lesbisch-schwule Tanzabende finden jeden Samstagabend im Magnus-Hirschfeld-Centrum, Borgweg 8, statt.

– Einen Tangoworkshop gibt Marga Nagel am 27. und 28. September im Tango Gotan, Leverkusenstraße. Anmeldung unter

– Infos zur Mädchentanzgruppe gibt es unter