High-Society auf dem 17. Juni

Am 23. August wird die Hanfparade mit 20 Wagen vom Ernst-Reuter-Platz zum Brandenburger Tor ziehen. Da wird anschließend informiert, debattiert, konsumiert und verlustiert  ■ Von Kim Kindermann

„Nur noch ein paar Tage, dann ist Hanfparade“ – lautet seit letzter Woche der Slogan zur ersten Hanfparade in Deutschland, die am 23. August 1997 in Berlin stattfindet. Wo noch vor wenigen Wochen die Technokids zu den Rhythmen ihrer Musik tanzten, ziehen am kommenden Samstag 20 Wagen vom Ernst-Reuter-Platz in Richtung Brandenburger Tor, um für die Legalisierung von Hanf als Rohstoff, Medizin und Genußpflanze zu demonstrieren.

Daß Hanf im letzten Jahr teilweise legalisiert wurde, genügt den Hanfanhängern nicht, sie wollen erreichen, daß Hanf mit anderen Rohstoffen wie etwa Flachs gleichgestellt wird. Deshalb findet unter dem Motto „Mit Hanf in die Zukunft – Legalisierung jetzt!“ im Anschluß an die Parade eine große Abschlußkundgebung am Brandenburger Tor statt. Auf dem sogenannten „Markt der Möglichkeiten“ sollen über achtzig Ausstellungs- und Versorgungsstände aufgebaut werden, die über die breite Palette von Hanfprodukten informieren beziehungsweise diese anbieten werden. Daneben soll auf zwei Bühnen „hanfinspirierte Musik“ das Programm abrunden.

Da die Hanfparade bei solch einem Angebot zur Kommerzgroßveranstaltung werden könnte, weist Dirk Dumke, einer der drei Hauptorganisatoren, weit von sich: „Wir setzten voll auf das Politische, die Legalisierung von Hanf steht im Vordergrund.“ Deshalb sollen auch Vertreter der politischen Parteien von Bündnis 90/Die Grünen, SPD, PDS und die Liberalen öffentlich über die Legalisierung von Hanf sprechen – welche Politiker erscheinen werden, stand allerdings bis Anfang dieser Woche noch nicht fest.

Im „Dome of Information“, einem Zelt von „hanfnet – das ökologische Netzwerk e.V.“, kann sich der interessierte Besucher umfassend über die zahlreichen Aspekte von Hanf informieren, Fachleute der Hanfszene stehen zur Verfügung, um detailliert Auskunft zu geben und das Drogenimage der Pflanze zu relativieren.

Der als Referent geladene Mediziner Dr. Robert Gorter, Leiter des Instituts für onkologische und immunologische Forschung am Krankenhaus Berlin/Moabit und Beirat der AG Cannabis als Medizin, hingegen möchte sich nicht zur Legalisierung von Hanf als Drogenpflanze äußern: „Ich würde als Wissenschaftler und Mediziner weniger seriös gelten, wenn ich mich in die Diskussion einmische. Allerdings stehe ich voll hinter der Legalisierung von Hanf als Nutzpflanze.“ Er wird deshalb eine im Oktober beginnende Studie zu Hanf als Medizin vorstellen, die an über 800 Krebs- und Aidspatienten die appetitanregende Wirkung von Hanfkapseln untersuchen soll.

Auch Mathias Bröckers vom HanfHaus Berlin betont, daß sein Engagement nicht auf die Legalisierung von Haschisch reduziert werden kann. Ihm ist vielmehr wichtig, Hanf als ganze Pflanze wieder voll nutzbar zu machen: „Wir wollen den Öko-Aspekt stärker betonen, denn ökologisch ist noch nichts getan, wenn das Gesundheitsamt ja sagt.“ Folgerichtig spricht er in seinem Vortrag über die Zukunft von Hanf als Nutzpflanze. Die erwarteten 100.000 Besucher versprechen eine rosige Zukunftsentwicklung und den vollen Erfolg der Veranstaltung.

Was nicht zuletzt dem mittlerweile gegründeten Verein „Bündnis Hanfparade“ und seinen inzwischen 65 festen Mitgliedern zu verdanken ist, die durch ihre Mitgliedsbeiträge die Organisation der Veranstaltung überhaupt erst ermöglicht haben. Der Verein hat es sich zum Ziel gemacht, mehrere Hanfparaden zu organisieren sowie für die Vollegalisierung von Hanf einzutreten. Über 100 unterschiedliche Gruppen unterstützen die Hanfparade mittlerweile, neben den politischen Parteien setzten sich auch Groß- und Kleinunternehmer, Hanfanbauer, Künstler sowie Kiffer für die Veranstaltung ein. Weitere Sponsoren werden gesucht. Auch mit dem Erscheinen von Bundespräsident Roman Herzog nebst Gattin sowie dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen wird gerechnet, nur werden die leider auf der anderen Seite des Brandenburger Tores stehen, und zwar nicht, um die Hanfparade zu bestaunen, sondern um der Einweihung des Hotels Adlon beizuwohnen. „Vielleicht spendieren die uns ja ein Feuerwerk“, scherzt Dirk Dumke.