■ In Restjugoslawien wächst der Keim der Spaltung
: Montenegro trotzt Milošević

Die Versuche Belgrads, den widerspenstigen Premier Montenegros aus dem Weg zu räumen, sind mehr als peinlich. Und mit jedem neuen Angriff auf Milo Djukanović verliert auch der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević an Einfluß und Ansehen in Montenegro. Doch Milošević, der Ungehorsam nicht gewöhnt ist, will das einfach nicht wahrhaben.

Er will nicht wahrhaben, daß Milo Djukanović fest im Sattel sitzt. Der junge Premier hat mittlerweile den größten Teil der montenegrinischen Wirtschaft, die staatlichen Medien und die Polizei fest im Griff. Überdies ist jetzt auch bei den meisten Montenegrinern eine gefährliche Trotzreaktion deutlich zu spüren. Die montenegrinische Botschaft – Wir sind für ein gemeinsames Jugoslawien, in dem Serbien und Montenegro gleichberechtigte Partner sind – schlägt in eine unmißverständliche Drohung um: Wagt es ja nicht, uns irgend etwas aufzudrängen und euch in unsere Angelegenheiten einzumischen.

Die Situation erinnert stark an das Jahr 1991, als sich zuerst Slowenien und Kroatien, später auch Bosnien und Makedonien den Zentralisierungsversuchen Belgrads widersetzten und Titos Jugoslawien im Bürgerkrieg auseinanderfiel. Auch zu diesem Zeitpunkt standen diverse Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im ganzen Land bevor. Montenegro blieb damals als einzige Teilrepublik des ehemaligen Jugoslawien Serbien und seinem Präsidenten Slobodan Milošević in der neuen Bundesrepublik Jugoslawien treu. Und dies aus einem ganz bestimmten Grund: In der Bundesverfassung war eine gleichberechtigte Position Montenegros innerhalb der jugoslawischen Föderation garantiert.

Je länger die Konfrontation zwischen Milošević und Djukanović, in deren Verlauf die Grundregeln des Fairplay gänzlich mißachtet werden, andauert, desto größer wird die Angst der Bevölkerung vor einer ernsthaften Auseinandersetzung zwischen Serbien und Montenegro. Dieses Szenario ist nicht ausgeschlossen.

In den letzten Jahren sind alle wesentlichen Probleme im ehemaligen Jugoslawien entweder mit Gewalt oder aber überhaupt nicht gelöst worden. Und dies alles geschah und geschieht vor den Augen Europas. Dabei folgt alles einem ungeschriebenen Gesetz. Dieses Gesetz lautet: Die europäischen und UN-Organisationen reagieren erst, wenn es bereits zu spät ist. Andrej Ivanji