Mit Giftpfeilen gegen Olympia-Pläne

Eine ganze Serie von Anschlägen gegen Olympia 2004 bringt die Organisatoren der Spiele in Stockholm in Schwierigkeiten. Anfang September wird das IOC den Zuschlag erteilen  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Zur Sommerolympiade 2004 möchte Stockholm gerne die Jugend der Welt bei sich begrüßen. Doch die hochfliegenden Pläne sind auf dem besten Wege, sich im Rauch von Bränden und Bombenanschlägen aufzulösen. Auf diese Art wollen GegnerInnen einer Olympiastadt Stockholm das IOC offenbar veranlassen, sich am 5. September für einen anderen Austragungsort zu entscheiden.

Bisheriger Höhepunkt der Anschlagsserie, die Ende Mai begonnen hatte, war eine Bombe auf die Pressetribüne des Olympiastadions vor einer Woche. Eine, wie die Polizei nach Abschluß der technischen Untersuchungen jetzt eingestehen mußte, recht „professionelle“ Leistung und der erste in einer Reihe von acht Anschlägen, dem ein Bekennerschreiben gefolgt war: „Das schwedische Volk pfeift auf dem letzten Loch. Schwerkranke werden in Korridoren gestapelt, Arbeitslosenhilfe, Pensionen und Krankengeld werden gesenkt, in Schulen stürzen die Decken ein.“ Gleichzeitig treibe das politische Establishment seine Pläne gegen allen Widerstand voran und „gefährdet dadurch noch mehr unsere soziale Sicherheit“. Bislang habe man strikt darauf geachtet, mit den Anschlägen keine Menschenleben zu gefährden. Sollte sich das IOC für Stockholm entscheiden, werde man solche Rücksicht nicht mehr nehmen.

Der Brief schließt mit der Unterschrift „Wir, die wir Schweden aufbauten“ – der gleiche Absender wie auf einer Anschlagsdrohung gegen Ministerpräsidenten Göran Persson Ende vergangenen Jahres. Mit der gleichen Unterschrift ging am Mittwoch bei der schwedischen Nachrichtenagentur TT ein Fax ein, in dem es hieß, sollte Stockholm die Olympischen Spiele austragen, würden die Verantwortlichen mit Giftpfeilen beschossen. Trotz dieser Bekennerschreiben liegt noch im dunkeln, wer hinter den Attentaten steckt. Aus Kreisen organisierter Olympia-Gegner kommt ein glaubwürdiges Dementi: Zu solchen Methoden werde man nie greifen, auch wenn man teilweise verstehen könne, daß frustrierte Anti-Olympia-AktivistInnen zu solcher Art von Argumentation Zuflucht nehmen.

Tatsächlich engagiert sich mittlerweile eine erdrückende Mehrheit des politischen und ökonomischen Establishments und der Medien für die Olympia-Phantasien Stockholms. Und das, obwohl eine gestern öffentlich gewordene Studie klare Anhaltspunkte dafür liefert, daß das gesamte Abenteuer in einem riesigen Defizit zu enden verspricht, für das dann die schwedischen SteuerzahlerInnen einstehen müssen. Dabei hatte die massive Werbekampagne für die Spiele gerade Wirkung gezeigt. Umfragen hatten erstmals eine mehrheitliche Zustimmung zu den Spielen signalisiert.

Was aber, wenn ein Ja aus Lausanne tatsächlich zur Notwendigkeit einer erhöhten Alarmbereitschaft der Sicherheitskräfte für die nächsten sieben Jahre zu führen verspricht?

Aus dem IOC sind noch keine Signale nach außen gedrungen, ob die Stockholmer Kampagne durch die Bomben- und Brandserie Schaden genommen hat. Dies wäre kaum verwunderlich, hatte man den SchwedInnen doch schon bei der Vorauswahl die schwache öffentliche Unterstützung für die Spiele negativ angekreidet. Und selbst das schwedische IOC-Mitglied Gunilla Lindberg mag nicht bestreiten, daß es einen Bombeneffekt geben könne, zumal sich Stockholms Hauptkonkurrent Rom frei von solcherlei Aktionen präsentieren kann.

Während die Stockholmer Sportvereine in einem Appell ihre Mitglieder aufgerufen haben, als quasi sportliche Terroristenjäger ihre Sportplätze nicht mehr aus den Augen zu lassen und gegen die antiolympische Guerilla zu verteidigen, hat die Suche nach den Hintermännern zu abenteuerlichsten Gerüchten geführt. Immerhin könne, so munkelt man mit Blick nach Rom, auch die Konkurrenz hinter den Anschlägen stecken.