Bonus für Gesunde wird bald wieder abgeschafft

■ Regionale Modellversuche der AOK sollen nicht weiter ausgebaut werden

Berlin (taz) – Gesunde werden nicht bundesweit bevorzugt: Der Modellversuch, nach dem Mitglieder der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) bis zu 870 Mark zurückerhalten, wenn sie nicht zum Arzt gehen, soll auslaufen. Dies bestätigte gestern Peter Kirch, Verwaltungsratsvorsitzender des AOK-Bundesverbands.

Dies sei „auch eine unternehmenspolitische und nicht nur eine Entscheidung für das Solidaritätsprinzip“. Führte man die Beitragsrückerstattung flächendeckend für alle AOK-Mitglieder ein, würde man in allen Regionen „den Gesunden einen Bonus draufgeben“. Und „das ist nicht einzusehen“, so Kirch zur taz.

Wie berichtet, können AOK- Mitglieder in Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern einen Bonus von der Kasse zurückfordern, wenn sie innerhalb eines Jahres außer Vorsorgemaßnahmen keine oder nur sehr geringe ärztliche Leistungen in Anspruch genommen haben. Die Gutschrift ist maximal so hoch wie ein monatlicher Kassenbeitrag.

Die Modellversuche laufen in Berlin und Hamburg seit 1996, in Mecklenburg-Vorpommern seit diesem Jahr. Die Testläufe seien einzig und allein durch die „besondere Situation“ der betroffenen Ortskrankenkassen gerechtfertigt gewesen, betont Kirch.

Der Anlaß: Seit 1996 konnten in der AOK versicherte FacharbeiterInnen problemlos in Ersatzkassen wechseln, die vordem nur Angestellten vorbehalten waren. Da die Allgemeinen Ortskrankenkassen in Berlin und Hamburg sehr hohe Beitragssätze haben, befürchtete der AOK-Bundesverband, daß deren junge Kassenmitglieder in Ersatzkassen übertreten könnten, die zum Teil bis zu zwei Prozent niedrigere Beitragssätze anbieten.

Der regionale Beitragssatz einer AOK richtet sich nach deren Ausgaben. Viele Arbeitslose und RentnerInnen „verschlechtern“ also die Mitgliederstruktur.

Flächendeckend sei ein solches Bonussystem nicht zu rechtfertigen, erklärte Kirch. In Baden- Württemberg beispielsweise liege der AOK-Beitragssatz bei 13 Prozent und damit nicht höher als in den Ersatzkassen. Die Mitgliederstruktur sei hier günstig. „Warum sollen wir in einer solchen Region einen Bonus einführen?“

Ein bundesweit geltender Bonus wäre mit hohen finanziellen Einbußen verbunden. Von AOK- Mitgliedern in Berlin hat bereits jedes zehnte einen Antrag auf Beitragsrückerstattung gestellt. Von den 1,8 Millionen AOK-Mitgliedern in Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sind bislang über 300.000 Anträge auf Rückerstattung eingegangen. Rechnet man diese Zahlen bundesweit hoch, würde eine flächendeckende Einführung der Beitragsrückerstattung die AOK über eine Milliarde Mark kosten. Die Modellversuche laufen in Berlin und Hamburg noch bis zum Jahr 1999, im Land Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahre 2.000.

Die Bundesärztekammer protestierte gegen das Bonusprogramm, weil dadurch ganze Familien auf Arztbesuche verzichteten. Beim Bonussystem zählt allerdings der Arztbesuch der Kinder nicht mit. Auch die Ersatzkrankenkassen hatten das Bonussystem heftig gerügt.

DAK-Vorstandschef Hansjoachim Fruschki gab zu bedenken, daß von der Rückerstattung nur Gesunde profitierten: „Die Kassen sind für Kranke da.“ Die Diskussion um die Rückerstattung war aufgekommen, weil in den nächsten Wochen die ersten AOK-Mitglieder ihre Rückerstattungen für 1996 bekommen sollen. Barbara Dribbusch