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Hafengigant als Immobilienspekulant

■ Bürgermeister Voscherau päppelt die städtische HHLA mit Immobilien, um ungestört Hafenpolitik machen zu können

„Ich muß die Braut erst schön machen“– lächelnd wehrt Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) Vorschläge ab, die stadteigene Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG (HHLA) angesichts der dramatischen Finanzlage der Stadt zumindest teilweise zu privatisieren. Tatsächlich, so ist einem aktuellen HHLA-internen Dossier zu entnehmen, sei diese „auf Grund ihrer Bilanzstruktur derzeit kaum privatisierungsfähig“. Deshalb soll das ertragsschwache Unternehmen durch Immobiliendeals mit der Stadt gesunden. Ein Coup, der vor allem Stadtchef Henning Voscherau und dem HHLA-Management Vorteile bringt. Weitgehend ungestört von parlamentarischer Kontrolle kann künftig Hafen-, Immobilien- und Stadtentwicklungspolitik in kleinem Kreis ausgemauschelt werden.

Die HHLA ist im vorigen Jahr in schwieriges Fahrwasser gekommen. Nicht unerhebliche Marktanteile gingen an die Konkurrenten Eurokai, Eckelmann und Buss verloren. Schlimmer noch: Trotz der günstigen Voraussetzungen – die HHLA kontrolliert große Teile der billigen Hafenflächen – sind die Margen im Hafenumschlag durch die mörderische Subventionskonkurrenz der Nordseehäfen kaum noch auskömmlich. „Nur mit viel Bilanzkreativität“, weiß ein intimer HHLA-Kenner zu berichten, „gelang es, in der Bilanz 1996 einen kleinen Gewinn von gerade mal 90.000 Mark auszuweisen.“

Nach taz-Informationen wurden unter anderem die Pensionsverpflichtungen nicht in voller Höhe in diese Bilanz eingestellt. Legte die HHLA 1995 immerhin noch 33,4 Millionen Mark für ihre Pensionäre zur Seite, so waren es 1996 gerade noch mal 10 statt der möglichen 17 Millionen – die zulässige Höhe der Rückstellungen wird jedes Jahr von Wirtschaftsprüfern neu festgesetzt. Was wie ein Verzicht auf Steuervorteile aussieht, ist eine Hypothek auf die Zukunft, wie das Unternehmen einräumt: „Wir hätten sonst 1996 einen Verlust gemacht.“

Um so mehr locken Grund und Boden. Das Hafengebiet, weitgehend in städtischem Besitz und zu Dumpingpreisen verpachtet, ist Hamburgs größte Goldader. Als Goldgräber hat sich Henning Voscherau die HHLA ausgeguckt, die in den vergangenen Jahren denn auch fleißig und klammheimlich in des Bürgermeisters Auftrag Claims akquirierte, die Bestandteil jener „Hafen-City“werden sollen, mit der Voscherau Hamburgs Zukunft gestaltet sehen möchte. Klappt dies wie geplant, wäre das ein fantastischer Immobiliencoup: Flächen, welche die Stadt aus dem eng reglementierten Hafengebiet herausnimmt und durch eine neue Flächennutzungsplanung aufwertet, vervielfachen sich im Wert.

Die aktuelle Strategie Voscheraus ist ebenso genial wie einfach: Mit Krediten – nicht zuletzt auch der Hamburgischen Landesbank – kauft die HHLA hafennahen Boden. Zusätzlich darf sie erwarten, künftig aus dem Hafengebiet entlassene Flächen günstig zu erwerben. Sie würde damit, so das Dossier, „nicht nur in der Bilanz profitieren, sondern auch politisch noch mächtiger“. Die HHLA, so notiert die Analyse, könnte zur „Marktführerin für innenstadtnahe Büroflächen“und auf „dem Markt für großrahmige Logistikflächen“werden.

Die „Braut“darf sich also auf eine ganz erhebliche Mitgift aus Planungsgewinnen freuen. Und sie wird sich in gewohnter Weise revanchieren: Stadt- und Hafenentwicklung inklusive Finanzierung werden in Absprache mit Bürgermeister und Finanzbehörde erfolgen – aber weitgehend am Parlament vorbei. Florian Marten

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