■ Nachschlag: Sommerfest des Aufbau-Verlags in der LiteraturWerkstatt Pankow
Wer auf sich hält, nutzt die lauen Sommerabende, um zu heiraten. Oder wenigstens für ein Sommerfest. So gibt es derzeit genügend Gelegenheiten, sich mit einem Glas Wein in der Hand unter die Gäste zu mischen und die hohe Kunst beiläufiger Konversation zu pflegen. Am Freitag abend lud der Aufbau-Verlag in die Pankower LiteraturWerkstatt. Zuletzt hatte man im Literarischen Colloquium am Wannsee gefeiert, etwa 1995 das 50-Jahr-Jubiläum mit Feuerwerk und allem Pipapo begangen. Jetzt galt das Motto „Back to the roots“ – zurück in den Osten. Für Verlagsleiter Bernd F. Lunkewitz – ein sehr zufriedener Mann mit schriller Krawatte und langer Zigarre, ein hessischer Unternehmer, der den Verlag 1992 kaufte – ist das ein mutiger Schritt. Nachdem er, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, so heftig gegen sein Weinglas getrommelt hat, bis es zerspringt, redet er über die „virtuelle Mauer“, die immer noch verhindere, daß die Westberliner den Weg nach Pankow überhaupt anträten. „Pankow war für uns immer der Inbegriff des Ostens“, sagt Lunkewitz und denkt dabei wohl an Udo Lindenberg. „Für uns nicht!“ ruft Klaus Schlesinger aus der ostdeutschen Dichterecke – und schon sind die Unterschiede zwischen Ost und West hinreichend bestätigt. Christoph Hein und Daniela Dahn stehen dort, Bettina Wegner und Stephan Suschke: ostdeutsche Dichter neben ostdeutschen Dichtern und auch die Westdeutschen unter sich. Alles hat seine Ordnung, und Lunkewitz hat recht: Die alten Bindungen existieren noch. Der Aufbau-Verlag versammelt eine alte Familie. Und dann prost! Das Buffet ist eröffnet, das Schlangestehen beginnt.
Sehr zu loben: die Spinattorte. Alles Weitere ergibt sich im Flanieren von Tischchen zu Tischchen (wie geht's denn so?), von Thema zu Thema (was macht das neue Buch?), von Getränk zu Getränk (ziemlich schwül heute). Jetzt sind die Techniken des unauffälligen Wechsels von einer Gesprächsgruppe zur nächsten unverzichtbar, wie sie sich in Martin Walsers frühem Roman „Halbzeit“ studieren lassen. Das eilige Vorbeigehen mit unbestimmtem Ziel und dem hingeworfenen Satz: „Schön, daß du da bist – wir sehen uns noch.“ Im Innern des Hauses spielt eine brave Jazzband verloren ihre Lieder. Die Menschenmenge steht moderat im Garten unter Bäumen und kümmert sich nicht darum. Und die Gespräche, die man heute versäumt, sind auch kein Problem: Am nächsten Samstag trifft man sich wieder. Dann laden Fischer-, Argon- und Alexander-Fest-Verlag zum Sommerfest ins LCB. Jörg Magenau
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen