Berlins SPD bremst die Privatisierungswut

■ Landesparteitag setzt Moratorium durch. Kritik der Linken und des DGB

Berlin (taz) – Die Berliner SPD hält in ihrem rigiden Privatisierungskurs inne. Der Landesparteitag beschloß am Wochenende, den Verkauf staatlichen Eigentums wie der Wasserbetriebe von einem Gesamtkonzept abhängig zu machen. Über die Deckung milliardenschwerer Defizite im Jahr 1998 will die SPD in diesem November entscheiden. Die SPD-Finanzsenatorin und treibende Kraft der Haushaltskonsolidierung, Annette Fugmann-Heesing, akzeptierte den Kompromiß mit dem Gewerkschaftsflügel ihrer Partei.

Der Beschluß dürfte die Haushaltsberatungen innerhalb der Großen Koalition erheblich komplizieren. Der Budgetentwurf für 1998 kommt zwar nach der parlamentarischen Sommerpause, die kommende Woche endet, ins Abgeordnetenhaus. Die Abgeordneten werden aber bis November warten müssen, ehe der Entwurf entscheidungsreif ist. Bis dahin können sie nur alternative Entwürfe beraten – die möglicherweise wieder zurückgezogen werden. Schon das Budget 1997 war mit Verspätung verabschiedet worden. Beim Landesetat 1998 muß eine Differenz zwischen erwarteten Einnahmen und Ausgaben von rund 12 Milliarden Mark geschlossen werden. Geplant ist, allein sechs Milliarden Mark durch Verkäufe einzunehmen. Bereits veräußert wurde der Energieversorger Bewag. Landeseigene Immobilien und Wohnungen sollen darüber hinaus mittelfristig zweistellige Milliardensummen einspielen. Der Streit um die Vermögenspolitik hatte sich am geplanten Verkauf der Berliner Wasserbetriebe entzündet. Bei einer Personalversammlung des größten Wasserunternehmens der Bundesrepublik hatte sich die SPD kürzlich derart heftige Kritik eingefangen, daß die Linke auf dem Parteikonvent einen Privatisierungsstopp beantragte. Nach hektischen Beratungen einigte sich die Parteispitze darauf, zunächst „keine Grundsatzentscheidungen zu Vermögensveräußerungen“ zu treffen. Erst soll eine „Arbeitsgruppe Vermögensaktivierung“ ein Konzept erarbeiten, das die „Veräußerung eines möglichst minimalen Anteils des Landesvermögens“ vorsieht.

Zuvor hatten DGB und ÖTV beim Parteitag für Furore gesorgt. Der DGB warf der SPD einen „politischen Amoklauf“ vor. Die ÖTV kündigte einen „Aufstand der Parteibasis“ an, falls die „verheerende Finanzpolitik nicht einem Kurs der sozialen Gerechtigkeit“ weiche. Christian Füller

Kommentar Seite 10