Heß-Gedenken ausgefallen

Der Neonazi-Aktionstag zum 10. Todestag des Hitlerstellvertreters Heß wurde von der Polizei verhindert. Es gab Hunderte von Festnahmen  ■ Aus Berlin Dieter Neudorf

Von den Aufmärschen, die Neonazis zum zehnten Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß angekündigt hatten, ist am vergangenen Samstag nicht viel übriggeblieben. Die Polizei verhinderte nahezu alle Aktivitäten und nahm bundesweit mindestens 410 Rechte in Gewahrsam. Bei Straßenkontrollen wurden Fahnen, verschiedene Waffen und Propagandamaterial sichergestellt.

Auch rund 70 Gegendemonstranten wurden festgenommen. Ein „Aktionskomitee“, in dem Führungsfiguren der rechten Szene und Kader der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) zusammenwirkten, hatte schon vor Wochen für Samstag zu einem „zentralen Aufmarsch“ zum Gedenken an Heß aufgerufen, der am 17. August 1987 im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis Selbstmord verübt hatte.

Trotz zahlreicher Demonstrationsverbote mobilisierten die Rechten über ihre Infotelefone am Samstag vormittag in den Großraum Braunschweig. Etwa 200 Rechtsextremisten versuchten, sich in Wolfenbüttel zu versammeln. Der dort vor dem Schloß geplante Aufmarsch mußte aber ausfallen, weil die Polizei vor Ort war und einige Rechtsextremisten festnahm. Ähnlich erging es Heß-Anhängern vor dem Braunschweiger Hauptbahnhof, wo sie einen zweiten Aufmarschversuch unternahmen: Die etwa 60 in kleinen Gruppen anrückenden Neonazis wurden von der Polizei durchsucht und des Platzes verwiesen. Beendet wurde das Katz-und-Maus-Spiel schließlich beim dritten Versuch in Königslutter nahe Braunschweig. Dort wurden 85 Teilnehmer festgenommen. Auch in Halle, Solingen, dem baden-wüttembergischen Öhringen und auf der Wartburg bei Eisenach verhinderte die Polizei Versammlungen von jeweils bis zu 50 Rechten durch Platzverweise und kurzeitige Festnahmen.

In Königslutter, Solingen und Halle wurden dabei auch Gegendemonstranten und zwei Journalisten festgenommen, um Auseinandersetzungen zu verhindern, so die Polizei. Der in Halle festgenommene stellvertretende PDS-Vorsitzende von Sachsen-Anhalt, Frank Baier, kritisierte das Verhalten der Beamten. Die Vorwürfe gegen sechs festgenommene Antifas seien absurd. Die Polizei sei offensichtlich gewillt gewesen, gegen Antifaschisten vorzugehen. Am Samstag abend kam es in Hannover nach Angaben des Bündnisses „Bundesweites Antifa-Treffen“ zu Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Gegendemonstranten.

150 dänische, schwedische und einige deutsche Neonazis marschierten ebenfalls am Samstag im dänischen Köge auf. Die vom Innenministerium genehmigte Aktion sollte ursprünglich im benachbarten Roskilde stattfinden, wo Antifaschisten und aufgebrachte Bürger schon 1995 einen Heß-Aufmarsch verhindert hatten. Dieses Jahr lieferten sich Autonome in der Stadt Straßenschlachten mit der Polizei, die ein Aufeinandertreffen von Neonazis und Gegendemonstranten verhindern wollte.