Gemütlich bummeln ohne lärmende Autos

Wie planen Jugendliche die Stadt? In einer Ausstellung werden die Ergebnisse des Wettbewerbs „Jugend entwickelt Berlin“ vorgestellt. Vom autofreien Kurfürstendamm über die Hängebahn auf der Heerstraße bis zum „Poliquarium“ des Kanzlers  ■ Von Corinna Budras

Berlin könnte so schön sein: Ein autofreier Ku'damm als Fußgängerzone. Keine stinkenden Busse, nirgendwo mehr laute Autos. Überall nur gemütlich bummelnde Berliner und neugierige Touristen. Der gesamte Verkehr verläuft statt dessen in einem extra dafür angelegten Tunnel. Die Nebenstraßen des Ku'damms werden verkehrsberuhigte Zonen und dienen als „großes Parkhaus“, bei dem Parkscheine bei der Einfahrt gezogen werden müssen. So jedenfalls stellt sich die 17jährige Lea in ihrem „Verkehrskonzept Ku'damm“ das Berliner Stadtzentrum vor.

Dieses Konzept ist einer von insgesamt 124 Vorschlägen des Wettbewerbs „Jugend entwickelt Berlin“, der von der Marketing- Gesellschaft „Partner für Berlin“ und der Stadtentwicklungsverwaltung organisiert wurde. Die Sieger des Wettbewerbs wurden bereits am 3. Mai ausgezeichnet. Ihre prämierten Arbeiten und andere ausgewählte Entwürfe sind seit gestern nun in einer Ausstellung im Rahmen der „Schaustelle Berlin '97“ in der Ufa-Fabrik in Tempelhof zu sehen.

Shi und Paul haben sich beide mit der Gestaltung des Schloßplatzes auseinandergesetzt und damit den zweiten und dritten Platz im Themenbereich „Kreative Stadtentwicklung“ belegt. Jörn und Tim haben ein neues Nahverkehrs-Tarifkonzept entwickelt und wurden im Bereich „Wirtschaftliche Initiativen“ mit dem zweiten Platz belohnt. Vorschläge zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Industrie- und Dienstleistungssektor vom 15jährigen Alexander kamen auf den dritten Platz.

Henry und Thorsten, beide 23, entwickelten das „Projekt H-Bahn für Berlin“. Laut ihren Vorstellungen soll eine Hängebahn die Heerstraße vor einem Verkehrskollaps retten. Der Gedanke ist so neu jedoch nicht: Bereits vor über hundert Jahren erfand der Ingenieur Eugen Langen die Wuppertaler Schwebebahn. „Die Idee dieses Projektes ist, ein völlig in Vergessenheit geratenes Verkehrsmittel weiterzuentwickeln“, so Henry. Die Vorteile der H-Bahn hält er für zahlreich: „Sie ist leise, kostengünstiger als U- und S-Bahn und vermindert die Verkehrsdichte im Gegensatz zu einer Straßenbahn erheblich.“ Die H-Bahn hat den beiden Konstrukteuren nach jedoch auch noch einen anderen positiven Teilaspekt: „Bei verkehrsampelfreier Fahrt erhalten die im Projekt fahrenden stolzen H- Bahn-Piloten volle Job-Satisfaction“, betonen sie.

Der 18jährige Pascal belegte mit seinem „Multifunktionalen Forum Poliquarium“ den ersten Platz in dem Bereich „kreative Stadtentwicklung“. Mit seinem „Modell zur Förderung der direkten Demokratie“ will er eine Begegnungsstätte von Politikern und „dem Volk“ im Spreebogen zwischen Kanzleramt und Luisenblock schaffen. Im Sommer sollen dort Open-air-Veranstaltungen und Ausstellungen möglich sein. Das Poliquarium soll eine Art Tunnel darstellen, „durch den die Politiker gehen können und sich unters Volk begeben können“, so Pascal. Mit seinem Vorschlag möchte er „gegen die Politikverdrossenheit unter den Bürgern“ vorgehen. Das Wort „Poliquarium“ ist seine eigene provokative Wortschöpfung aus den Wörtern „Aquarium“ und „Politiker“. „Wie im Zoo können die Besucher den Politikern begegnen“, erklärt Pascal.

Am Rande der Ausstellungseröffnung kam es jedoch noch zu einer einsamen Protestaktion. Die 24jährige Maren entwickelte auf dem Papier den „Alles klar“- Stromzähler, der direkt die Markbeträge anzeigen soll. Die Grundidee dabei ist, daß sich der Verbraucher für den Preis interessiere und die bisherigen Angaben in Kilowattstunden viel zu abstrakt seien. Sie wollte sich mit ihrem Beitrag für ein umweltfreundliches Bewußtsein bei den Menschen einsetzen. Maren jedoch wies den verliehenen ersten Preis zurück, weil Siemens Kooperationspartner des Wettbewerbs ist. Da Siemens sich jedoch im Bau von Atomkraftwerken engagiere, könne sie den ersten Preis nicht annehmen.