Polizei: Korpsgeist und Faustrecht

■ Ab heute stehen wieder einmal 17 Polizisten wegen Körperverletzung und Strafvereitelung vor Gericht

Nicht mehr einzeln, sondern gleich in rauhen Mengen geht es jetzt im Kriminalgericht Moabit gegen Polizeibeamte zur Sache. Ab heute müssen sich vor dem Amtsgericht Tiergarten 17 angeklagte „Ordnungshüter“ verantworten, darunter zwei Frauen. Die Palette der Vorwürfe lautet wie so oft in der Vergangenheit: Körperverletzung im Amt, Strafvereitelung und Unterschlagung. Gerichtskenner sprechen vom größten Prozeß gegen mutmaßliche Schläger in Uniform. Selbst die Pressestelle der Polizei räumte gestern auf Nachfrage ein: „Es ist mit eines der größten Verfahren.“

Diesmal sitzt mit den Angeklagten der erste Zug der Direktionshunderschaft 6 (zuständig für die Bezirke Friedrichshain, Lichtenberg, Köpenick und Treptow) auf der Anklagebank. Auch der Zugführer ist mit von der Partie.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte das Landgericht bereits dem ersten Zug einer Kreuzberger Hundertschaft den Prozeß gemacht (die taz berichtete). Dieser erste Großprozeß gegen Polizeibeamte in Berlin endete seinerzeit im wesentlichen mit Freisprüchen. Die Aussagen der Angeklagten und deren als Zeugen benannten Kollegen hatten anschaulich unter Beweis gestellt, daß der Korpsgeist der Truppe noch immer bestens funktioniert. Im Zweifelsfall konnten sich die Zeugen an die zum Teil seit Jahren zurückliegenden Taten nicht erinnern.

In dem heute beginnenden Prozeß wird der Vorsitzende Richter voraussichtlich ähnliche Schwierigkeiten mit dem Erinnerungsvermögen der Angeklagten und Zeugen haben. Der Zeitraum, in dem die Angeklagten die Taten begangen haben sollen, ist Ende 1993 bis Mai 1994. Wie schon im vorangegangenen Prozeß hat es das Gericht auch diesmal mit einem typischen Fall von Korpsgeist zu tun: Einige Angeklagte stehen im Verdacht, bei den Einsätzen willkürlich vom Faustrecht Gebrauch gemacht zu haben, während ihre unbeteiligten Kollegen und der Zugführer weggeguckt haben sollen und auch später keine Strafanzeige zu Papier brachten.

Ebenso wie im letzten Verfahren ist der Kronzeuge ein Polizist, der zum Tatzeitpunkt erst seit kurzer Zeit in der Truppe Dienst schob. Vermutlich werden die Verteidiger der angeklagten Beamten wie bereits im ersten Prozeß versuchen, diesen Mann als unglaubwürdig abzutun.

Zu den Geschädigten gehören unter anderem Skinheads, Polen und Vietnamesen. Bei einem Einsatz gegen randalierende Skins soll einer der Skinheads von mehreren Beamten mißhandelt worden sein. Ein Polizist filmte den Verlauf der Polizeiaktion für private Zwecke für sich und die Kollegen auf Video mit. Der Film ist in dem Prozeß neben den Aussagen der Opfer ein wichtiges Beweismittel.

Ein anderes Mal soll ein des Diebstahls verdächtiger Pole die Faust eines Beamten zu spüren bekommen haben. Wieder ein anderes Mal traf es einen Fan bei einem Fußballspiel FC Union gegen Hertha BSC Amateure. Ferner sollen einige Angeklagte unverzollte Zigaretten und Spirituosen beiseite geschafft haben, die sie zuvor bei vietnamesischen Händlern beschlagnahmt hatten. Der Prozeß ist für fünf Wochen terminiert. Plutonia Plarre