Castor mit Musik

■ Sind DJs für ein nichtkommerzielles Radio alternativ genug? Die Medienanstalt sagt ja zum Frankfurter Radio "X-Mix", die Traditionalisten sind eher skeptisch

In Frankfurt tobt der Krieg der Radioknöpfe, und schuld sind wieder mal die DJs. Denn die haben für ihr Radio „X-Mix“ eine der begehrten Frequenzen erhalten und damit die traditionsbewußten Bürgerfunker abgehängt.

Daß die Macher von Radio „X-Mix“ teilweise vom Independent-Label InfraCOM! stammen, ist schon schlimm genug – daß sie aber während des Probebetriebs einen Beitrag zum Castor-Transport mit Drum'n'Bass unterlegten, galt vielen alternativ bewegten Hörern als Sakrileg.

Noch ist der Tag X noch weit, doch schon schwant vielen nichts Gutes, wenn das DJ-Radio im September auf Sendung geht: „Was die Vollversammlung nennen, läuft so ab, daß auf dem Podium einige Leute sitzen und den anderen erzählen, was in der letzten Zeit passiert ist“, argwöhnt Dietmar Cezanne, der selbst gern mit einem Sender namens „Verbund“ losgelegt hätte. Auch Christine Drößler von der Initiative „Huren wehren sich gemeinsam“ fiebert nicht unbedingt dem Sendestart entgegen. „Was die da rumhuddeln, interessiert mich nicht. Wir haben mit unserer Klientel genug zu tun!“

Dabei ist der Argwohn im traditionellen Alternativmilieu angesichts des Programmschemas kaum verständlich. Von amnesty international über den „Club Behinderter und ihrer Freunde“ bis hin zur „Feministischen Philosophen-Gruppe“ findet so ziemlich jede Minderheit vom Main Berücksichtigung. Und zum Höreridol avancierte während des Testbetriebs ein Ausländer mit dem Künstlernamen Gameboy Günter. Zwar nur ein Holländer, aber die haben ja in Alternativkreisen einen besonders guten Ruf.

So könnte sich also doch noch alles beruhigen, nachdem zuvor um die Frequenz gerungen worden war, als tobe einer der großen WG- Kriege der Neuzeit. Nur, daß es diesmal nicht um handfeste Probleme wie das Geschirrspülen oder den Müll ging: Im Oktober 1994 hatte der hessische Landtag die gesetzlichen Grundlagen für den nichtkommerziellen Lokalfunk geschaffen.

Neben dem öffentlich-rechtlichen und dem privaten sollte der gänzlich werbefreie und prinzipiell jederman zugängliche Rundfunk die dritte Säule des Systems sein. Die Landesanstalt für den privaten Rundfunk (LPR) in Kassel sah für jedes Stadtradio eine Anschubfinanzierung von 180.000 Mark vor, insbesondere für die technische Infrastruktur. Da aber davon auch die Sendegebühren an die Telekom bezahlt werden müssen, war wieder einmal die ganz große, selbstausbeuterische ehrenamtliche Arbeit gefragt.

Seit Frühjahr gingen nacheinander „Radio RaDar“ in Darmstadt (UKW 103,4), „RundFunk Meissner“ (Eschwege 99,7), „Radio Unerhört“ (Marburg, 90,1) und das „Lokalradio Kassel“ (88,9) auf Sendung. Nur in den großen Ballungsgebieten rund um Wiesbaden und in Frankfurt kabbelten sich jeweils zwei Initiativen. Eher hilflos versuchte die nur in der Vergabe von kommerziellen Lizenzen geübte LPR zu moderieren, doch der Konflikt blieb, und die Lizenz ging schließlich an „K2R“ und „X-Mix“, obwohl die Anstalt vorher festgestellt hatte, daß alle die Voraussetzungen erfüllen.

Vielleicht hat diesmal einfach die bessere Musik den Ausschlag gegeben. Und das wäre ja nicht das Schlechteste. Jens Prewo