Gewalt in Kenias Ferienparadies

Bei den jüngsten Auseinandersetzungen in Kenia sind bislang 33 Menschen ums Leben gekommen. Die Opposition fordert Verfassungsänderungen, die Regierung will das verhindern  ■ Aus Nairobi Andrea König

Der kenianische Präsident Daniel arap Moi hat die Opposition beschuldigt, hinter der jüngsten Welle von Gewalt zu stecken, die bisher 33 Menschen das Leben gekostet hat. Seit vergangenem Mittwoch herrschen im kenianischen Ferienparadies von Mombasa Gewalt, Angst und Terror. Der Verdacht, daß es sich um politisch geschürte Aktionen handelt, liegt nicht fern, obwohl der Polizeikommandant die Ereignisse gegenüber der Presse als bloßes „Banditentum“ abzuschwächen versuchte.

Die Öffentlichkeit schenkt solchen Worten wenig Glauben. Die meisten Kenianer sehen hinter den Ereignissen in Mombasa Einschüchterungsversuche der Regierung, um die Verfassungsreformen zu verhindern, welche die Opposition noch vor den für dieses Jahr anstehenden Wahlen fordert.

Ein Wahltermin steht noch nicht fest. Mit Massenprotestaktionen hat die Opposition den Druck auf die Regierung erhöht, um ihre Anliegen durchzusetzen – die grundlegende Reform einiger Verfassungs- und Gesetzesartikel, die freie und faire Wahlen überhaupt erst ermöglichen. Immer wieder ist es dabei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.

Das ohnehin schon gespannte Klima in Kenia hat mit der Welle von Gewalt in Mombasa einen weiteren Höhepunkt erreicht. Noch suchen Öffentlichkeit und Presse relativ hilflos nach Motiven, die zu diesen Terrorakten geführt haben. Alle, Opposition und Regierung, verurteilen die Vorgänge, weisen sich jetzt gegenseitig die Schuld zu.

Die jüngste Gewalt nahm ihren Anfang mit einem offensichtlich sehr gut organisierten und detailliert geplanten Überfall auf die Polizeistation von Likoni, eines Dorfes südlich von Mombasa. Sechs Polizisten wurden getötet, die Angreifer erbeuteten bei ihrem Raubzug 30 Schnellfeuergewehre und über 5.000 Schuß Munition. Anschließend zogen sie durch die umliegenden Quartiere, brachten Unschuldige um, plünderten und steckten Häuser in Brand. In den folgenden Tagen waren zunächst andere Dörfer und Slums südlich von Mombasa Ziel der Ausschreitungen. Am Samstag dehnten sich die Konflikte auch auf Gebiete an der Nordküste aus. Vor den Angriffen sollen jeweils Flugblätter zirkulieren, die die zugezogenen Einwohner aus anderen Regionen Kenias aufforderten, das Land an die Küstenbewohner zurückzugeben und heimzukehren.

Die Angreifer sind laut Angaben von Bewohnern mit Macheten, Messern und Knüppeln bewaffnet und sprechen ihre Opfer zunächst in der einheimischen Sprache an oder verlangen Identitätskarten, auf welchen ersichtlich ist, wo die Person als Wähler registiert ist. Wer sich als Zugezogener erweist, wird brutal zusammengeschlagen oder gar umgebracht.

Hunderte haben sich in Kirchen geflüchtet, die Busbetriebe müssen die Fahrten nach Nairobi und in die nördlichen und westlichen Provinzen doppelt führen. Die Preise für Lebensmittel haben sich in den letzten Tagen verdoppelt, die meisten Geschäfte südlich von Mombasa blieben geschlossen. Für viele Kenianer sind die Ereignisse von Mombasa mit Erinnerungen an die gewaltsame „ethnische Säuberung“ des Rift Valleys von 1992 verbunden. Damals vertrieben die Völker der Masai und Kalenjin die als Zugewanderte betrachteten Kikuyu, Luhva und Luo. Zehntausende hatten ihr Hab und Gut verloren und waren vertrieben worden, rund 2.000 Menschen kamen damals ums Leben.

Damals – wie auch heute – stand Kenia kurz vor allgemeinen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, und Beobachter waren sich einig, daß es sich um politisch gesteuerte Angriffe handelt, und nicht um ethnische Zusammenstöße. Auch heute sind deshalb Hinweise auf ethnische Auseinandersetzungen mit Vorsicht zu genießen. Richard Leakey, Oppositionspolitiker der nicht registrierten Partei Safina: „Entweder der Staat hat die Kontrolle über die Lage völlig verloren, oder er drückt beide Augen zu und will die Angriffe nicht stoppen. Die Unruhen begannen am letzten Mittwoch, und bis heute haben weder Polizei noch Armee die Lage unter Kontrolle. Als ein Polizist in Nairobi während des Streiks am 8.August umgebracht wurde, waren tags darauf 200 Menschen im Gefängnis. In Mombasa wurden bisher gerade zwei Leute verhaftet, einer davon gehört zu Safina.“

Von der Gewalt verschont geblieben sind die Touristen in den Hotels rund um Mombasa. Die Feriengäste in Kenias Strandparadies wurden von der Polizei angewiesen, ihre Hotels nicht zu verlassen, bis ihre Sicherheit wieder garantiert werden könne. Bisher waren Touristen von den Unruhen, die vergangene Woche südlich von Mombasa ausgebrochen waren, nicht wesentlich betroffen. Unter den Touristen soll absolute Ruhe herrschen, währenddessen vor allem Reiseveranstalter nervös werden. Die jüngsten Ausschreitungen an Kenias Ferienküste werden, so befürchten sie, für die Tourismusindustrie große Einbußen bringen.