Steuerreform weder tot noch lebendig

■ Union und FDP wollen einige Reste der großen Steuerreform retten. SPD signalisiert Gesprächsbereitschaft

Berlin/Bonn (taz) – In Bonn geben sie sich alle Mühe, irgend etwas auf die Beine zu stellen, was den Namen Steuerreform noch verdient. Die Betonung liegt aber auf irgend etwas – eine Steuerreform im ursprünglich geplanten Sinne wird das nicht sein, von dem angekündigten Jahrhundertprojekt mal ganz zu schweigen. Es wird wohl nur noch eine Art Jahressteuergesetz übrigbleiben.

Wie die Union sind jetzt sogar die Freien Demokraten („Steuerland ist abgebrannt“) bereit, Abstriche bei der mit der Steuerreform geplanten Nettoentlastung hinzunehmen. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle sagte gestern, er sehe Chancen für eine vorgezogene kleine Reform. Er stellte aber die Bedingung, daß die Bürger am Ende weniger Steuern bezahlten als vorher.

Das ursprüngliche Konzept der Koalition sah eine Nettoentlastung von 30 Milliarden Mark vor. Seit voriger Woche aber rudert insbesondere die CDU zurück. In einem Positionspapier haben Fraktionschef Wolfgang Schäuble und sein Stellvertreter Hans-Peter Repnik Kompromisse vorgeschlagen, die auf eine „kleine Steuerreform“ hinauslaufen sollen. Mit den neuen Vorschlägen will die CDU den Einwänden der SPD gegen den Gesetzentwurf von Finanzminister Theo Waigel entsprechen: Der Einkommensteuer-Spitzensatz soll statt auf 39 nur auf 45 Prozent gesenkt werden, der Steuersatz für gewerbliche Einkommen auf 40 statt 35; der Eingangssteuersatz soll nicht mehr bei 25,9, sondern bei 22 Prozent liegen. Damit erübrigt sich, alle von Waigel vorgeschlagenen Steuervergünstigungen abzuschaffen. Eine Nettoentlastung von 15 Milliarden Mark (bisher geplant: 30 Milliarden) hält die Union inzwischen für möglich.

Nachdem die SPD die Schäuble-Vorschläge zunächst als dreist bezeichnet hatte, bekommt sie jetzt wohl Angst, am Ende doch als Blockierer dazustehen, wenn sie das Kompromißangebot der Union ablehnt. Sie signalisiert Verhandlungsbereitschaft, wartet aber „gespannt“ (Franz Müntefering) auf ein neues Konzept der Regierung. Das sei Vorbedingung neuer Gespräche.

Finanzexperten beklagen, daß es den groß angekündigten Befreiungsschlag mit radikal gesenkten Steuern und ebenso konsequent zugemauerten Schlupflöchern wohl nicht geben wird. „Das, was jetzt in Bonn herauskommen dürfte, ist das Wort ,große Steuerreform‘ nicht wert“, sagt Wolfgang Schaft vom Institut für Wirtschaftsforschung in Hamburg. Dennoch sei eine kleine Reform immer noch besser als gar keine. Jens König