"Die Kurse purzeln, die Börse bebt" - drunter machen es die Schlagzeilen seit dem Wochenende nicht. Auch gestern war die Kursentwicklung in Tokio und Frankfurt wieder leicht negativ. Aber erfahrene "Börsenhengste" stellen keinen freien Fall

„Die Kurse purzeln, die Börse bebt“ – drunter machen es die Schlagzeilen seit dem Wochenende nicht. Auch gestern war die Kursentwicklung in Tokio und Frankfurt wieder leicht negativ. Aber erfahrene „Börsenhengste“ stellen keinen freien Fall der Börsenkurse fest. Vielmehr handele es sich um eine längst fällige Korrektur der permanent überhitzten Notierungen.

Nicht jede Baisse ist gleich ein Crash

Die japanischen Touristen auf dem Börsenplatz in Frankfurt sind gescheite Klein- oder vielleicht sogar Großaktionäre. Keiner will sich mit dem Bären aus Bronze fotografieren lassen, der die Baisse, den Abschwung an der Börse, symbolisiert. Der gewaltige Stier, der für die Hausse, den Aufschwung, fest auf seinen vier Beinen steht, ist dagegen als Motiv für einen Schnappschuß äußerst beliebt. Einige junge Männer ziehen sich an seinen Hörnern hoch, andere greifen kühn nach dem gigantischen Gehänge unter dem Hinterbauch. Die Kameras klicken – die Frauen kichern. Vielleicht hilft das ja den Aktien zu Hause im Depot der Hausbank wieder zu neuen Höhenflügen.

Der Nikkei-Index an der Börse in Tokio hatte nämlich am Montag um 284,93 Punkte oder 1,47 Prozent auf einen Handelsschluß von 19.041,10 Punkten nachgegeben. Eine Reaktion auf den deutlichen Kursrückgang an der Wall Street in New York am vergangenen Freitag. Da war der Dow-Jones-Index um 247,37 Punkte (3,1 Prozent) gefallen. Seit dem Schwarzen Freitag von 1987 ist das der stärkste Einbruch in der Erfolgsgeschichte der US-Börse in den letzten zehn Jahren.

Doch die japanischen Touristen vor der Börse, denen neben der Kamera noch der Weltempfänger am Handgelenk baumelte, nahmen die Nachrichten von der negativen Kursentwicklung in ihrer Hauptstadt ebenso gelassen auf wie zuvor schon die Analysten in New York und in Tokio: kein freier Fall der Börsenkurse sei da weltweit zu konstatieren, kein neuer Schwarzer Freitag. Der Kurseinbruch, so hieß es an der Wall Street, sei vielmehr eine überfällige Korrektur der permanent überhitzten Börsenkonjunktur an den großen Börsenplätzen. Schließlich habe gerade der Dow- Jones seit Jahresbeginn schon 20 Prozent zugelegt und damit seinen Wert – gemessen am Basisjahr 1994 – glatt verdoppelt.

„Hier ist alles schon gelaufen“, sagte gestern ein Börsenmakler in Frankfurt fünf Minuten nach Eröffnung des sogenannten Parketthandels um 10.30 Uhr. Die aus dem Computerhandel vor Börseneröffnung resultierenden Kurse von Aktien insbesondere exportorientierter Unternehmen notierten um einige Mark schwächer als noch am Freitag.

Für die Kurseinbrüche bei Chemie- und Automobilwerten trage allerdings der wieder schwächer notierte Dollar die Hauptverantwortung, sagte der Geschäftsführer der renommierten Börsenmaklerei Scheich und Partner, Beck. Der Mann hätte gestern gerne Aktien von Daimler-Benz zum Eröffnungskurs von 131 Mark gekauft, die am Freitag noch 145 Mark teuer waren. Doch schon zwei Minuten nach Eröffnung war die begehrte Aktie von Daimler-Benz schon nicht mehr so schön preiswert zu haben. Kurs um 10.32 Uhr: 135 Mark. „Da war einfach kein Durchkommen an den Schaltern, weil alle kaufen wollten.“

„Das war es dann aber auch schon gewesen an Hektik an diesem Vormittag“, sagte auch der erfahrene Börsenkaufmann Runge von der Thümmel Börsenmakler GmbH. Natürlich sei der schwächere Dollarkurs auch eine Folge der Kurseinbrüche an der Wall Street. Doch einen echten Crash werde es weder in New York noch in Tokio oder in Frankfurt geben. Auch dann nicht, so Runge, wenn in New York der Dow-Jones weiter absacken sollte.

Wie schon die Analysten in den USA glauben auch die „Börsenhengste“ in Frankfurt nicht an eine echte Baisse. Um 50 Prozent habe der Deutsche Aktienindex (Dax) seit Jahresbeginn zugelegt, stellten Runge und Beck übereinstimmend fest. Das sei „der nackte Wahnsinn“ und eine „eigentlich ungesunde Entwicklung“. Die Kurseinbrüche auch hier müßten deshalb als „Konsolidierung“ gewertet werden. „Kein Grund zur Beunruhigung für Anlegerinnen und Anleger.“

Einem „Unsicherheitsfaktor müsse allerdings noch Beachtung geschenkt werden, unkten gestern in der Mittagspause einige Börsianer in den Bistros rund um die Börse. Wenn es in „Amiland“ an der Wall Street in dieser Woche noch einmal so richtig krachen sollte, könnten die Kleinaktionäre kalte Füße bekommen und ihre „Aktienpaketchen gleich massenweise abstoßen“. Das, sagen die einen, werde dann auch die Börse noch einmal zu spüren bekommen. Für die andern wäre allerdings auch das nicht mehr als „ein Furz im Winde“. K.-P. Klingelschmitt,

Frankfurt am Main