Solide Bande zwischen Moskau und Grosny

■ Jelzin und Maskhadow verhandeln über engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Pünktlich zum Termin werden drei entführte russische Journalisten freigelassen

Moskau (taz) – Eine überraschende Nachricht aus der Heimat hat gestern Tschetscheniens Präsident Aslan Maskhadows Rückgrat und Verhandlungsposition gestärkt, als er gerade mit Boris Jelzin im Kreml tagte. Den tschetschenischen Sicherheitskräften war es gelungen, die Freilassung der in Rußland wie in Tschetschenien äußerst beliebten Kriegsberichterstatterin Jeljena Masjuk und ihrer beiden Kollegen Ilja Mordjukow und Dmitri Olschew vom privaten Fernsehkanal NTV nach einhundertundeinem Tag Haft von ihren Geiselnehmern zu erzwingen. Aslan Maskhadow hatte wiederholt versprochen, den Geiselnahmen in seinem Land ein Ende zu setzen. Nun saß er am Verhandlungstisch als einer, der sein Wort hält und die Terroristen in den eigenen Reihen in die Schranken weist.

Wie immer, wenn zwischen russischen und tschetschenischen Führern verhandelt wird, ging es bei dem gestrigen Präsidententreffen um Geld, Pipelines und Status – und zwar in der beschriebenen Reihenfolge. Um aber den Verhandlungspreis zu erhöhen, war die Frage des künftigen Status Itschkerijas – wie die Tschetschenen ihre eigene Republik nennen – in den vergangenen vierzehn Tagen von Maskhadows Regierung kräftig hochgespielt worden. Unter anderem tauchte dabei die Forderung nach einer tschetschenischen Botschaft in Moskau auf.

Was aber alle Beteiligten gestern an den Verhandlungstisch trieb, war der Wunsch nach Realisierung eines wichtigen Zoll- und Wirtschaftsabkommens, das Tschetschenien und Rußland im Juli dieses Jahres unterzeichnet hatten. In einem dreiseitigen Vertrag unter Einbeziehung Aserbaidschans erzielte Moskau damals einen Durchbruch in der Frage der internationalen Nutzung des kaspischen Ölschelfes. Rußland darf nun seinen Anteil, Millionen von Tonnen Erdöl, via Tschetschenien dem eigenen Hafen Noworossisk zupumpen.

Die Frage nach den Transporttarifen für das dunkle Naß durch Tschetschenien blieb vor einem Monat offen – eine kitzelige Achillesverse für Jelzin. Um eines Kompromisses in dieser Frage willen ist die russische Führung bereit, den tschetschenischen Forderungen nach Reparationszahlungen für den Krieg zwischen Dezember 1994 und August 1996 so weit wie möglich entgegenzukommen.

Das Abkommen vom Juli setzt im übrigen die Abwicklung der Außenhandelsgeschäfte tschetschenischer Firmen über die Zentralbank der russischen Föderation fest. Darüber hinaus wurde der vorläufige Verbleib Tschetscheniens in der Rubelzone festgehalten. All dies weist daraufhin, daß die Bande zwischen Rußland und Tschetschenien solider gesponnen sind, als es so manchem in Grosny gefällt. Barbara Kerneck