Eine Serie zum Reden

■ Zwanzig Jahre lang haben Nordirlands Fußballer nicht gegen Deutschland verloren. Das soll auch heute so bleiben

Belfast (taz) – Jetzt erzählt Gerry Armstrong mal von früher. Der Nachmittag geht in den Abend über, und der Assistenztrainer der nordirischen Nationalelf hat genug gequatscht über die heutige Zeit, in der selbst Mannschaften wie Armenien und Albanien seinem Team zu schaffen machen. Wenn es damals, Anfang der 80er Jahre, gegen die Großen der Fußballwelt, gegen Deutschland oder Spanien, ging, „sagte unser Trainer Billy Bingham: ,Männer, wir haben gegen die keine Chance, 2:0 zu gewinnen. Also, geht raus und siegt 1:0.‘“

Und das taten sie dann. Zum Beispiel 1983/84 in der Europameisterschaftsqualifikation, Hin- und Rückspiel gegen Deutschland – jeweils 1:0. „Hoho, anstrengende Spiele waren das“, sagt Armstrong, der damals im Mittelfeld spielte, „ständig kam dieser Hans- Peter Briegel an, ich habe 70 Minuten nichts anderes getan, als ihm hinterherzujagen. Dann war er müde, und wir schossen das Tor.“

So eine große Mannschaft wie damals, dessen ist sich Armstrong bewußt, „kannst du mit so einem kleinen Land nie permanent haben“. 1986, mit der Weltmeisterschaft in Mexiko, endeten die schönen Jahre. Seitdem ist Nordirland wieder zurück in der zweiten Reihe. Nur die Deutschen haben es offenbar nicht bemerkt. Sie schaffen es weiterhin nicht, gegen die Nordiren zu gewinnen. 20 Jahre liegt der letzte deutsche Sieg zurück, seitdem gab es zwei 0:1-Niederlagen und drei 1:1-Unentschieden, zuletzt im November 1996 im WM- Qualifikationsspiel in Nürnberg. Verstehen können das die Nordiren selbst nicht. „Ich habe keine Ahnung, was die Deutschen mit uns haben“, sagt Armstrong.

Unaufgeregt bereiten sich die Nordiren in Newcastle, gut 40 Kilometer südlich von Belfast, auf das heutige Treffen mit ihrem Lieblingsgegner (20.30 Uhr, ARD) in der WM-Qualifikation vor. Ihre Chancen, die Endrunde 1998 in Frankreich zu erreichen, haben sie mit Niederlagen gegen die Ukraine und Unentschieden gegen Armenien praktisch vertan. Und doch können sie gegen Deutschland im Belfaster Windsor Park mehr gewinnen als drei in der Endabrechnung wohl wertlose Punkte: ein Stück Normalität.

Die katholische Bevölkerung boykottiert die Nationalmannschaft weitgehend, die Protestanten nutzen Länderspiele mit ihren Gesängen und Fahnen traditionell zu politischen Kundgebungen. Jetzt, wo die IRA einen Waffenstillstand erklärte, hat Bryan Hamilton, der nordirische Nationaltrainer, viel versucht, das katholische Publikum zu gewinnen. Er hat Vorträge in Schulen gehalten und die Mannschaft zu Trainingseinheiten auf Fußballplätze in den katholischen Vierteln von Belfast geschickt. Sprechen will er über die politische Dimension des Fußballs in seinem Land allerdings grundsätzlich nicht.

Diesmal wird er aber auch gar nicht danach gefragt. Sondern immer wieder nach der Zwei-Jahrzehnte-Bilanz gegen die Deutschen. „Die Serie, das ist etwas zum Reden“, sagt Hamilton, „aber am Mittwoch hilft uns die kein bißchen. Oder glauben Sie, die Deutschen geben uns den Ball, wenn wir ihnen sagen: ,Wir haben schon 20 Jahre nicht gegen euch verloren‘?“

Die Alltagssorgen eines nordirischen Nationaltrainers haben Hamilton wieder einmal voll erwischt. „Zu viele meiner Kerle spielen keinen Erstliga-Fußball“, sagt er, „das ist seit langem unser fundamentales Problem.“ Nordirland selbst hat keine Profiliga. Alles in allem gibt es in ganz Europa kaum mehr als 50 nordirische Berufsspieler, und wenn Hamilton Pech hat, findet er für eine bestimmte Position keinen einzigen, der erste Klasse kickt. Da Torwart Tommy Wright am Mittwoch wegen einer Knieverletzung ausfällt, steht Hamilton vor der Wahl, Aiden Davison oder Roy Carroll ins Tor zu stellen; beide sehr gute Spieler – in der dritten Liga. Ronald Reng