Der Kompromiß ist da: Nach monatelangen Beratungen haben sich Bund und Länder auf ein "Hochschulrahmengesetz light" geeinigt. Deregulierung heißt das wichtigste Stichwort. Paragraphen, die bisher das Universitätsleben regelten, entfallen. G

Der Kompromiß ist da: Nach monatelangen Beratungen haben sich Bund und Länder auf ein „Hochschulrahmengesetz light“ geeinigt. Deregulierung heißt das wichtigste Stichwort. Paragraphen, die bisher das Universitätsleben regelten, entfallen. Gestärkt wird jedoch die Position der Lehrenden. Sie können sich ihre Studenten nun selbst aussuchen.

Die Professoren haben die Wahl

In jeder zweiten Aprilwoche schlafen einige Studenten in Leipzig länger. An diesen Tagen fallen seit einigen Jahren Seminare in den Fächern Journalistik und Kommunikationswissenschaft aus. Professoren und Dozenten arbeiten jedoch: Sie prüfen frisch gebackene Abiturienten auf ihre Studientauglichkeit. Prüfung statt Lehre, diese Verschiebung des Arbeitsschwerpunktes wird es künftig nicht nur in Sachsen, sondern in vielen Hochschulen in Deutschland geben. 10 bis 20 Prozent ihrer Studenten dürfen die Unis in Numerus-clausus-Fächern in Zukunft per Auswahlverfahren selbst aussuchen, so sieht es der Bund-Länder-Kompromiß über die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) vor.

Einige Studenten, die sich momentan in den Semesterferien befinden, können aufatmen. Wer seine Zwischenprüfung auch nach dem sechsten Semester noch nicht bestanden hat, fliegt auch in Zukunft nicht automatisch von der Uni. Zwangsexmatrikulation hatte die Union gefordert, Zwangsberatung hat sie durchgesetzt. Der Langzeitstudent trifft sich in Zukunft mit einem Studienberater.

Wissenschaftminister Jürgen Zöllner (Rheinland-Pfalz/SPD), Kultusminister Hans Zehetmair (CSU/Bayern) und Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) betonten bei der gestrigen Pressekonferenz besonders die „Deregulierung“ ihres am späten Montagabend gefundenen Kompromisses. Die Novellierung dünnt das Hochschulrahmengesetz aus und gibt den Universitäten mehr Gestaltungsfreiheit.

So ist bisher genau vorgeschrieben, in welchem Verhältnis Professoren, Dozenten, Studenten und sonstige Mitarbeiter in den Senaten oder Fachbereichsräten vertreten sind. Auf diese Bestimmungen wird nun weitgehend verzichtet. Lediglich eine Anforderung an die universitäre Selbstverwaltung steht auch weiterhin im Gesetz: Die Professoren müssen bei wesentlichen Entscheidungen die Mehrheit haben.

Und auch von „freier, gleicher und geheimer Wahl“ durch die jeweiligen Mitgliedergruppen wird im neuen HRG nicht mehr die Rede sein. Die genauere Defintion der einzelnen Gruppen wird ebenso gestrichen wie das Prinzip, daß die Sitzungen grundsätzlich öffentlich stattfinden.

Die Länder haben jedoch die Möglichkeit, darüber hinausgehende Regelungen in ihren Landesgesetzen festzuschreiben. Doch bisher zeichnet sich auch hier ein Trend zur Deregulierung ab. Wenn das neue HRG – voraussichtlich im Frühjahr – in Kraft tritt, können die Hochschulen folglich völlig verschiedene Modelle der Selbstverwaltung ausprobieren. Eine noch stärkere Vertretung der ProfessorInnen, ein Wegfall einzelner Gruppen aus der Selbstverwaltung ist nach dem neuen HRG ebenso möglich wie eine größere Mitbestimmung von StudentInnen und Mittelbau bei Berufungen.

Letztlich wird es darauf ankommen, wer die neue Ordnung der Hochschule erarbeitet. Ortrun Bertelsmann vom Freien Zusammenschluß der StudentInnenschaften (fzs) in Bonn, erwartet vor allem die Handschrift der Professoren: „Die neuen Entwürfe kommen dann von den Präsidialämtern. Die werden etwas ausklügeln, und der Senat wird dann zustimmen.“

Auf Widerstand bei den Studenten wird außerdem die im neuen HRG festgeschriebene Regelstudienzeit stoßen. Magister- oder Diplomstudiengänge sind in Zukunft auf viereinhalb Jahre begrenzt, eine Zwischenprüfung wird obligatorisch. Der „Freischuß“, die Möglichkeit eines vorgezogenen Examens, wird in allen geeigneten Studiengängen eingeführt. Die Ursache für ein verzögertes Studium ist aber oft ökonomischer Natur. Immer weniger Studenten beziehen Bafög, immer mehr haben einen oder mehrere Nebenjobs. Das wollte die SPD ändern und verknüpfte deshalb im Vorfeld der Bund-Länder-Verhandlungen eine Zustimmung zur Reform des HRG mit einer Neuordnung des Bafög-Systems. Davon ist im heutigen Kompromiß keine Rede mehr.

Ebenfalls vom Tisch ist ein generelles Verbot von Studiengebühren. Wenigstens im Grundstudium wollte die SPD die Lehre für Bares verhindern. Nun können Länder wie Berlin und Baden- Württemberg auch weiterhin „Einschreibegebühren“ erheben.

Doch nicht nur für die Studenten, auch für Professoren und Dozenten ändert sich einiges. Eine „kontinuierliche Evaluation“ soll eingeführt werden, bald werden die Vorlesungen von den Hörern benotet. Unklar ist allerdings, wie die jetzt beschlossene „leistungsorientierte Hochschulfinanzierung“ umgesetzt werden soll. Bisher hatten die Hochschulen jede Form von Ranking strikt abgelehnt. Studentenvertreterin Bertelsmann: „Das Ganze hängt von der künftigen Zusammensetzung der Gremien ab. Die Evaluierung ist gut, wenn es eine demokratische Hochschule gibt, aber schlecht, wenn es eine hierarchische ist.“

Geeinigt hatten sich Bund und Länder dagegen schon vor geraumer Zeit auf die Einführung zweier am angelsächsischen System orientierten Hochschulgrade. „Bachelor“ und „Master“ können sich die Absolventen noch einzurichtender Studiengänge schon nach drei Jahren nennen. Viele Professoren lehnen jedoch gerade diesen Vorschlag ab. So bezeichnete der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Hartmut Schiedmair, die neuen Abschlußformen als „Versuch, McDonald's als deutsche Spitzenküche im internationalen Wettbewerb zu verkaufen“. Matthias Fink, Robin Alexander