Wahlkampf ohne Wattestäbchen

Bürgerschaftliche Wahlschlacht zwischen Voscherau und Maier: Überraschendes rot-grünes Gefecht um den Euro  ■ Von Silke Mertins

Ole von Beust strampelte sich ab. „Seifenblasen“produziere der Senat, „unredlich“und „nicht anständig“seien die nicht eingehaltenen SPD-Versprechen. Doch Bürgermeister Henning Voscherau bedachte den CDU-Herausforderer nicht einmal mit einem müden Lächeln. Geschäftig telefonierte er, studierte Aktenberge und klapperte am Laptop. „Was ist bloß aus diesem hoffnungsvollen, aufstrebenden Politiker geworden?“höhnte SPD-Fraktionsvize Jan Ehlers über von Beust. Die Debatte verlief schleppend und drohte zu einem peinlichen Abschluß dieser Legislaturperiode zu werden.

„Wir sind die einzigen, die eine Differenz in den Wahlkampf bringen“, kritisierte GAL-Fraktionschef Willfried Maier die inhaltliche Nähe zwischen CDU und SPD-Lichtgestalt Voscherau. Er zitierte ein „sehr hübsches“russisches Sprichwort: „In Notzeiten nennt man das Schwein Onkelchen“und brachte sodann Stimmung in diese Wahlschlacht mit Wattestäbchen: „Voscherau wählt den Euro ab“, warf Maier, der sich zunehmend zum brillanten Redner entwickelt, dem Bürgermeister Anti-Europapolitik vor. Indem Voscherau die Währungsunion von der politischen Union abhängig mache, blockiere er de facto Hamburgs Zustimmung zum Euro. „Voscherau zündelt“, befand der Grüne.

„Herr Doktor Maier!“holte Haushaltsexperte Walter Zuckerer (SPD) zum Gegenschlag aus. „Sie können doch nicht im Ernst nur die Mobilität des Kapitals fordern.“Doch Voscherau wollte sich auch selbst verteidigen. „Man darf es nicht zu billig machen, Herr Doktor Maier“, warnte Voscherau. „Es darf nicht nur über die Währungsunion geredet werden.“Fordere man nicht gleichzeitig auch die politische Union, stünde man am Ende mit leeren Händen da, lautete sein seltsam fundamentalistisches Argument.

„Warum hat Hamburg denn dann im Bundesrat dem Maastricht-Vertrag zugestimmt?“versuchte der abgeschlagene Ole von Beust sich wieder in die Debatte einzuklinken. Die jetzige Kritik sei „Heldentum nach Ladenschluß“. Die Kopplung stünde doch bereits im Bundesratsbeschluß, erwiderte Voscherau. Aber es war dann Maier, nicht von Beust, der des Bürgermeisters Behauptung widerlegte und den Beschluß vorlas. „Sie haben eine Unwahrheit vorgetragen“, triumphierte der Grüne.

Die Kopplung von Währungs- und politischer Union sei seine „tiefste Grundüberzeugung“, bekannte Voscherau. Soll heißen: nicht verhandelbar, wenn es nach den Wahlen in vier Wochen zu rot-grünen Gesprächen kommt. „Da können Ihre Überzeugungen noch so tief sein – sie sind falsch“, weil „unerfüllbar“, entgegnete Maier.

„Herr Doktor Maier!“sprang nochmals der linke Sozialdemokrat Zuckerer seinem Bürgermeister zur Seite. „Sie argumentieren: Bevor wir an die Realität stoßen, stimmen wir lieber zu.“Die SPD wolle jedoch „die Realität verändern“und sich „nicht anpassen“. Deswegen halte er die GAL für „ein bißchen zu wenig politikfähig“.