Oberfläche ist Oberfläche

■ Sorgfältig arrangierte Beziehungslosigkeit: Die verkehrte Wohnwelt der Catrin Otto in der Kreuzberger Galerie Soma

Der Raum: ein Glaskasten, mit einer Trennwand in zwei Teile geteilt. Man kann hineinsehen, aber nicht eintreten: Die Tür ist zu. Die Berliner Künstlerin Catrin Otto macht die Galerie Soma zu einem großen Schaukasten. Man steht vor dieser Glasscheibe wie im Zoo vorm Affenkäfig. Dahinter ist ein fremder Lebensraum. Ein Raum, in dem die Grenze zwischen Fotografie und Installation, zwischen Original und Kopie, Gebrauchs- und Kunstobjekt verhandelt wird – auf recht originelle Art.

Catrin Otto kommt von der Fotografie und beherrscht die Kunst, vergrößerte Fotos von Weckglasgummiringen oder Lockenwicklern so zu großformatigen Collagen zusammenzustellen, daß sie wie surreale, organische Formen und Landschaften mit Science-fiction-Potential wirken. Jetzt geht sie ins Dreidimensionale: nicht konzeptmäßig verkopft, sondern mit einer Ästhetik, die gleichzeitig spielerisch und streng ist. Teile eines weißen Ledersofas stehen in sorgfältig arrangierter Beziehungslosigkeit herum, eine seltsame Keramikschale, ein kleiner Saugnapf für den Abfluß und eine Starterklappe leisten ihnen Gesellschaft. Ein Wohnraum, dessen Einrichtungsgegenstände, die „besessenen Objekte“ (so der Titel der Ausstellung), ihre Funktion verloren haben, zusammengehalten durch die Farben Rot und Weiß.

Ergänzt wird dieser reale Raum durch drei imaginäre Räume, großformatige Fotos, auf denen dieselben Gegenstände in immer neuen Kombinationen wiederauftauchen. Auch die Künstlerin ist Teil des Foto-Arrangements: Sie setzt den Saugnapf an das schwellende Sitzpolster an wie ein Schröpfglas auf die Haut, sie liegt auf dem Boden vor den Polstern, auf denen man nicht schlafen kann, sie lehnt an dem Sofateil, auf dem man nicht sitzen kann in diesem kalten, absurden Wohnkäfig.

Im Nebenraum wird die Spiegelung von realem und fotografiertem Objekt endgültig in einen geschlossenen Kreislauf überführt. Da steht, etwas verloren auf rotem PVC-Holzimitat, wieder Wohnzimmergemütlichkeit in Gestalt des weißen Ledersofas herum. Aus dem großporigen Leder sind unterschiedlich große Rechtecke herausgeschnitten. Unter der Haut des Sofas kommen Fotos zum Vorschein, die wieder das weiße Leder in unterschiedlichen Vergrößerungen zeigen: Oberfläche ist Oberfläche ist Oberfläche.

Catrin Ottos „dreidimensionale Fotomontagen“ sind der dritte Teil einer Ausstellungsreihe, mit der sich die Künstlerselbsthilfegalerie Soma des Themas Fotografie annimmt. Als erster machte Jürgen Baumann den Glaskasten der Galerie zur Fotobox. Er konfrontierte die Passanten mit kleinformatigen, transparenten Körperbildern, die an der Glasscheibe klebten. Beim ersten Hinsehen war vor allem rotweißes Fleisch mit einem gewissen Igitt-Faktor zu erkennen. Schaute man näher hin, konnte man erleichtert feststellen: Es sind nur plattgedrückte Nasen, Bauchnabel oder Handrücken, durch eine Glasscheibe hindurch fotografiert. Carsten Gliese dagegen thematisierte die Architektur des Raumes. Er montierte einen Raum im Raum und bestückte ihn mit Fotos des Raumes selbst.

Bei Catrin Otto wird der Ausstellungsort nun endgültig zur Gesamtskulptur. Wenn morgen Aliens in Kreuzberg landen, werden sie hier einziehen. Elke Buhr

Ohlauer Straße 38–40, bis 31.8., rund um die Uhr zu sehen