Waigel bildet Kohl um

■ Finanzminister droht mit seinem Abschied 1998 – falls er keinen neuen Job bekommt. Mit dem Ultimatum drängt er den Kanzler, endlich das Kabinett umzubilden

Bonn (taz) – Finanzminister Theo Waigel legt nach: Wenige Tage nach seiner öffentlichen Aufforderung zu einer Kabinettsumbildung hat er in einem Interview Amtsmüdigkeit erkennen lassen und damit den Druck auf Bundeskanzler Helmut Kohl verstärkt. Der 58jährige will seinen Sessel spätestens nach der Bundestagswahl 1998 räumen. Er ist seit April 1989 im Amt. „Das ist mehr, als man von mir erwarten konnte“, erklärte er im Bayerischen Rundfunk. „Ich habe meine Pflicht getan und tue sie, aber dann reicht es auch.“ Er könne sich sowohl den Abschied aus Bonn als auch die Übernahme eines anderen Ministeramts vorstellen: „Ich traue mir in der Tat jedes andere Amt zu.“

In Bonn sorgten die Äußerungen für Verwirrung. Das Finanzministerium dementierte eilends den Inhalt des Interviews – ein ungewöhnliches Verfahren bei ausführlichen elektronischen Wortlautzitaten. Der bayrische Finanzminister Erwin Huber (CSU) betonte, Waigel habe mit dem Interview Forderungen nach größeren Veränderungen bekräftigt. Mit Amtsmüdigkeit habe das nichts zu tun. Aus der CSU hieß es, der Parteichef habe „Pflöcke einschlagen“ wollen.

Waigels Äußerungen gewinnen Brisanz vor allem vor dem Hintergrund dessen, was er letzte Woche in einem Spiegel- Gespräch gesagt hatte. Da riet er Kohl, „mit der Mannschaft in den Wahlkampf zu ziehen, mit der er in der nächsten Legislaturperiode regieren will. Wenn der eine oder andere Minister oder Staatssekretär ausscheiden will, aber gern noch ein Jahr bis zur Wahl machen möchte, muß man ihm sagen können: Kamerad, es wäre schön gewesen, aber jetzt müssen wir die neue Mannschaft bilden.“

Der Kanzler steckt jetzt in der Zwickmühle. „In der prekären Finanzlage und in der Vorbereitung auf den Euro“ könne Waigel nicht gehen, „ohne daß es wie Flucht aussähe“, schrieb letzte Woche die FAZ. Auch muß Kohl den Eindruck fürchten, er habe sich das Heft aus der Hand nehmen lassen, wenn er sein Kabinett nun schnell umbildet. Waigel könne man dabei nur befördern, war gestern aus Unionskreisen zu hören. Dafür bieten sich wenige Posten an: Das Außenministerium wird die FDP kaum abgeben, das Verteidigungsministerium steht angesichts der Popularität Volker Rühes auch nicht zur Verfügung. Waigels Äußerungen könnten nun Gerüchten Auftrieb geben, denen zufolge Innenminister Manfred Kanther um sein Amt fürchten muß. Bettina Gaus