Auf, auf in den Süden!

■ FC St. Pauli will Jugend- und Amateurfußball nach Wilhelmsburg auslagern. Behörden „unterstützen“Plan, AGiM spricht von „Schlag ins Gesicht der Fans“

Die schönen Worte klingen den Vereinsangehörigen noch heute in den Ohren. „Die Heimat des FC St. Pauli ist das Millerntor“, psalmte Präsident Heinz Weisener auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung Mitte Juni durch das Congress-Centrum. „Wir sind und bleiben ein Stadtteilverein“– allerdings einer, der nicht recht weiß, wo er hingehört.

Nach Informationen der taz hamburg plant der Bundesliga-Absteiger, in Wilhelmsburg ein Trainingszentrum für seine Profis, Amateure und den Leistungs-Nachwuchs (ab C-Jugend aufwärts) zu errichten. Auch Punktspiele der Nicht-Profi-Mannschaften sind angedacht.

„Bislang ist es nur eine Idee“, bestätigte gestern Manager Helmut Schulte der taz, „aber es ist am wahrscheinlichsten, daß wir es in Wilhelmsburg machen.“Für den Standort südlich der Elbe spreche die „relative Nähe“zum Heiligengeistfeld. „Spruchreif ist noch nichts, wir haben aber absolutes Interesse.“Als Planungszeitraum nannte Schulte „ein bis drei Jahre“.

Viel länger schon sucht der Zweitligist ein geeignetes Gelände, wo ein Trainingszentrum gebaut werden könnte. Bislang ist der FC quer über die ganze Stadt verstreut. Die Oberliga-Amateure spielen meist im Sternschanzenpark, Jugendmannschaften unter anderem in Billstedt und Horn. Die Profis pendeln zwischen Eidelstedt und Hoheluft. „Und am Millerntor wird es 1000prozentig nicht gehen“, sagt Schulte, „auch nicht nach dem Stadionausbau.“Andere innerstädtische Ideen wie das Philips-Gelände an der Kollaustraße seien nicht umsetzbar.

Das Objekt der Begierde liegt an der Dratelnstraße westlich des S-Bahnhofs Wilhelmsburg. Dort befindet sich bereits eine Sportanlage, die der ESV Einigkeit nutzt. Direkt daneben existiert eine weitere Fläche, auf der momentan Container für Asylbewerber stehen. Das Areal ist jedoch laut Flächennutzungsplan für „sportliche Zwecke“ausgewiesen.

Die zuständigen Behörden, mit denen der FC bereits gesprochen hat, haben grünes Licht gegeben. „Wir unterstützen die Pläne“, versicherte gestern Sportamts-Leiter Heiner Widderich. Der Verein könne das Gelände per Sportrahmenvertrag unentgeltlich überlassen bekommen. Auch Harburgs Sportreferent, Wilhelm Jockel, ist begeistert. „Für Wilhelmsburg wäre der FC St. Pauli eine sportliche Bereicherung – in jeder Beziehung“, hatte Jockel, derzeit im Urlaub, der Harburger Rundschau erklärt.

Alles andere als erfreut ist Holger Scharf über die Wilhelmsburg-Idee. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Fans“, meint der Sprecher der „Arbeitsgemeinschaft interessierter MitgliederInnen im FC St. Pauli“(AGiM). Da versuche man mit Hilfe der AGiM, die vom Millerntor vertriebenen Amateure zurückzuholen, und dann gehe die Reise nach Wilhelmsburg. „Ein typisches Beispiel, wie in diesem Verein mit dem Nachwuchs umgegangen wird.“Daß die beiden Grandplätze an der Feldstraße erhalten bleiben, kann Scharf nicht sanfter stimmen. „Der Preis für das neue Stadion ist anscheinend, daß der Rest des Vereins kaputtgeht.“

Ingeborg Schnell, beim FC für den gesamten Jugendbereich verantwortlich, hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen die angedachte Lösung: „Wenn wir endlich vernünftige Trainingsmöglichkeiten bekommen, ist Wilhelmsburg in Ordnung.“Kein Statement wollte der Amateur-Obmann, Hermann Klauck, abgeben: „Ich habe zu diesem Thema nicht genug Informationen.“

Clemens Gerlach/Matthias Greulich