Gefesselt zu Hause

Alternative zum Gefangen-Sein? Justizexperten streiten über elektronisch überwachten Arrest  ■ Von Elke Spanner

Wer unerlaubt das Haus verläßt, werde per Stromschlag wieder in seine Schranken zurückverwiesen. Klaus Sessar, Direktor des Seminars für Jugendrecht und Jugendhilfe der Hamburger Universität, beschwört Szenarien herauf, die für ihn in greifbarer Nähe liegen – wenn in Hamburg die „elektronische Fessel“für StraftäterInnen eingeführt werde. Ein entsprechendes Pilotprojekt hat Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) für Ende 1998 angekündigt. Auf Einladung der Kriminologischen Initiative Hamburg und des Kommunikationsvereines Hamburger Juristen stritten am Mittwoch abend Fachleute darüber.

Beim „elektronisch überwachten Hausarrest“, der in den USA und Schweden bereits praktiziert wird, tragen StraftäterInnen einen Sender am Fußgelenk, durch den ihr Aufenthaltsort per Computer überwacht werden kann. Nur zu festgelegten Stunden dürfen sie Wohnung oder Haus verlassen, die übrige Zeit sind sie Gefangene in den eigenen vier Wänden.

Für Hamburg entstand die Idee wegen der Überlastung der Gefängnisse. Ein Argument, das für Sessar keinen Bestand haben kann: „Die Überbelegung im geschlossenen Vollzug liegt daran, daß die Zustände im offenen Vollzug unzumutbar sind und viele Gefangene sich weigern, dorthin zu gehen“, befand er und warnte: „Bei der Fessel spricht niemand von Resozialisierung. Es geht allein um Kontrolle – und das in der engsten Privatsphäre“.

Für die elektronische Überwachung plädierte dagegen Michael Stallbaum, Leiter des Justizamtes. Angewandt würde sie bei Gefangenen, die Freigang hätten und kurz vor der Bewährungsentlassung stünden. Sie könnten dann nach der Arbeit statt in den Knast mit der Fessel nach Hause gehen: „Es ist eine Alternative zum Gefangen-sein, nicht zum Freisein.“

Dem allerdings wollte Michael Lindenberg, Autor eines Buches zum Thema, keinen Glauben schenken. Der Sozialwissenschaftler fürchtet, daß mit der elektronischen Fessel ein „zusätzliches Instrument geschaffen wird, mit dem Täter bestraft werden, die bislang mit einer Geld- oder einer Bewährungsstrafe davongekommen sind“. Auch Sessar warnte: „Der Versuch beginnt im kleinen. Es liegt in der Luft, daß er auf andere Populationen ausgeweitet wird“.

Daß diese Befürchtung berechtigt ist, hatte Hoffmann-Riem bereits im Januar anklingen lassen. Da pries er an, die Fußfessel könne auch bei „der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung“angewandt werden. Zur Zeit steht man während der Bewährung nicht unter Hausarrest.