Die wahren Back Street Boys

■ Am Samstag treten die "Back Street Boys" in Berlin auf, bereits heute wird im Mädchenladen "Lisa e.V." eine Fotoausstellung mit richtigen Back Street Boys eröffnet

Julia, Carmen, Ebru, Denise und Jasmin* waren mal große Fans der „Back Street Boys“. Jetzt nicht mehr, sagen sie. Nach langem, anstrengendem Fan-Dasein und einem Konzertbesuch, eingekeilt in Tausende schreiender Mädchen, ist ihnen ein Licht aufgegangen, sagen sie. „Es ist doch albern, tagelang Hotels zu suchen und rumzukreischen“, sagt Ebru. „Die ,Back Street Boys‘ sagen zwar: ,Wir lieben euch‘“, ergänzt Carmen, „das stimmt aber gar nicht.“ Denise hat keine Lust mehr, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob Nick, Kevin, A.J. (sprich Äii Dschäii), Howie und Brian nun Freundinnen haben oder nicht. „Die lügen doch, um Geld zu kriegen“, weiß sie. „Wenn sie von ihren Freundinnen erzählen“, ergänzt Jasmin, „verkauft es sich nicht so gut.“ Ebrus Erkenntnis: „Die machen die Musik doch nicht für uns.“

Eine Erkenntnis, die der Konzeptkünstler Justus Blumenstein mit seinen 37 Jahren lange vor den fünf türkischen Mädchen zwischen 12 und 15 Jahren hatte. Als sie anfingen, alle Wände im Mädchenladen für interkulturelle Sozialarbeit „Lisa e.V.“ in der Christstraße in Charlottenburg mit „Back Street Boys“-Postern vollzukleben, riß Blumenstein, bevor ihm endgültig der Geduldsfaden riß, einige davon ab. „Das gab einen riesengroßen Ärger“, erzählt er. Es folgten eine „harte Auseinandersetzung“ darüber, was denn Back Street Boys eigentlich sind, und Gespräche über die Praktiken und Taktiken von Medienkonzernen. „Wir wollten wissen, warum die Mädchen so auf die Jungs abfahren“, ergänzt Kerstin Kittler, die Leiterin des Mädchenladens. „Wir wollen ihnen die Idole nicht nehmen, aber Alternativen aufzeigen.“

So entstand die Idee für die Fotoausstellung „Alles über Back- Street-Boys und Hinterhöfe“, die heute um 17 Uhr von Charlottenburgs Ausländerbeauftragten, Azize Tank, eröffnet wird. Die Hamburger Fotoagentur „Signum“, deren Fotos oft auch in der taz zu sehen sind, stellte Dutzende Schwarzweißfotos aus der ganzen Welt zur Verfügung. Der Berliner Fotograf Christian Jungeblodt zeigte den Mädchen Fotos von traurigen Kindern in Grosny, von Kindern mit Arm- und Beinprothesen in Afghanistan, von Straßenkindern in Rumänien, von Jugendlichen in Afrika, im ehemaligen Jugoslawien, in England, Israel, Palästina und Mexiko. Julia, Carmen, Ebru, Denise und Jasmin haben stundenlang aussortiert und eine Auswahl von etwa 50 Fotos getroffen, die ihrer Meinung nach die wahren „Straßen- und Hinterhofkids“ zeigen.

„Jeder kümmert sich um die Band und redet darüber, ohne zu wissen, was der Name bedeutet“, sagt Carmen. „Die anderen sollen sehen, was wahre Back Street Boys sind“, benennt sie das Anliegen der Ausstellung. „Kinder auf der Straße, die nicht fröhlich sind. Denen sollte man helfen, an die sollte man denken.“

„Wir können die ,Back Street Boys‘ gar nicht kennen“, gibt Carmen zu bedenken, „also können wir sie gar nicht lieben.“ Fazit: Die fünf Mädchen, die eigentlich keine Fans mehr sein wollen und am Samstag auch nicht zu dem Konzert in Berlin gehen, würden zwar nicht alles, doch aber ziemlich viel dafür geben, die „Back Street Boys“ einmal kennenzulernen. Doch nicht zur Ausstellungseröffnung, wie es Projektleiter Blumenstein vorgeschlagen hatte. Denn sollte die Boy Group wider Erwarten wirklich heute in der Christstraße in Charlottenburg auftauchen, kämen mit ihnen jede Menge Kameras und Fotografen. „Boy Groups sind schlecht angesehen bei uns in der Schule“, erzählt Ebru. „Die Jungs würden uns hänseln.“ Viele Mitschüler würden glauben, sie seien noch immer Fans. Da hat Denise die zündende Idee: „Können wir sie nicht in ihrem Hotelzimmer treffen?“ fragt sie mit glänzenden Augen. Um jeglichen Verdacht des Fanseins auszuräumen, begründet sie den Vorschlag damit, daß das doch „viel praktischer“ wäre. Barbara Bollwahn

*Namen geändert

„Alles über Back-Street-Boys und Hinterhöfe“ in der Christstraße 29a. Bis zum 19. August. Mo.–Fr. von 13.30 bis 18 Uhr