Aussicht auf Erfolg? Keine

Seit zwei Monaten haben 18 polnische Bauarbeiter keinen Lohn mehr erhalten. Am Mittwoch abend mußten sie die seit zwei Wochen bestreikte Baustelle räumen. Keine Hoffnung auf eine gerechte Lösung  ■ Von Corinna Budras

Alles wartet. Siebzehn polnische Bauarbeiter stehen unschlüssig vor den grauen Wohncontainern in der Sonne und harren dessen, was kommen mag. Ratlosigkeit steht jedem ins Gesicht geschrieben. Einige rauchen, andere stehen an den Türrahmen gelehnt; sie reden nur wenig miteinander.

Ein wenig sieht es aus wie im Zoo: Ein mannshoher Zaun trennt sie von der Außenwelt. Zwei Polizeibeamte patrouillieren an den Wohncontainern vorbei, wo nichts geschieht. Erst als der Mann mit den dunklen Haaren und dem Schnauzer eintrifft, kommt Bewegung in die Runde. Wie auf Kommando scharen sich alle um ihn und hören, was er zu sagen hat.

Die Lage der Bauarbeiter als schwierig zu bezeichnen ist untertrieben. Seit über einem Jahr arbeiten sie inzwischen auf der Autobahnbaustelle an der Gottlieb- Dunkel-Straße und wohnen seitdem in den Wohncontainern auf der Baustelle. Auftraggeber ist die Bauverwaltung.

Zwei Monate lang haben sie nun jedoch schon keinen Pfennig für ihre Arbeit gesehen. Die polnische Firma Fo-Max 2, bei der sie angestellt sind, ist inzwischen pleite. Am 8. August haben sie deshalb ihre Arbeit niedergelegt und kämpfen seitdem für ihren Lohn.

Aussicht auf Erfolg? Keine. Einge Tage lang wurden sie auf der Baustelle geduldet, am vergangenen Freitag jedoch wollte der Bausenat nun doch, daß sie gehen. Notfalls sollte die Polizei bei der Räumung der Wohncontainer behilflich sein.

Mitarbeiter des Projektes ZAPO des Polnischen Sozialrates handelten schließlich mit der Bauverwaltung und dem Generalunternehmer eine Fristverlängerung von einer Woche aus. Bedingung der Fristverlängerung: Es dürfe keine „Unruhe auf der Baustelle entstehen“.

Am Mittwoch jedoch sollte dann plötzlich Schluß sein mit dem Baustreik. Bis 16.00 Uhr, so sagte man den Polen, sollten sie die Wohncontainer räumen. Woher dieser plötzliche Sinneswandel kam, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Dabei gibt es beim Bausenator nur Positives über die polnischen Bauarbeiter zu berichten.

„Die stehen im allerbesten Ruf“, bestätigte Petra Reetz, Sprecherin des Bausenators. Auch an dem nötigen Mitleid läßt man es in der Bauverwaltung nicht fehlen: „Das sind wirklich arme Schweine“, erklärt der zuständige Fachbeamte Peter-Ullrich Kunert mitfühlend.

Geräumt werden sollte trotzdem. Pünktlich um 16.00 Uhr rollten die ersten Mannschaftswagen der Polizei an. Verhandlungen zwischen der Bauleitung und den Bauarbeitern begannen. Der Vorarbeiter Miroslaw Smolewski, der Mann mit dem Schnauzer, bat um einen Dolmetscher, doch der wurde ihm nicht gewährt. Begründung: Der Arbeiter könne schließlich Deutsch.

Tatsächlich könne er sich auch langsam auf Deutsch verständigen, so Conny Roth von ZAPO. Allerdings sei das Gespräch so wichtig, daß von ihm nicht verlangt werden könne, es ohne Hilfe zu führen.

Denn die Situation ist kompliziert: Das Land Berlin hatte mit dem Bau der Bundesstraße 100 das deutsche Bauunternehmen Wolf&Müller beauftragt. Dieses wiederum vergab einige Aufträge an die Firma Rubesta, die ihrerseits einen Werkvertrag mit der polnischen Baufirma FO-Max 2 hatte. Auf diesem Wege kamen die 18 Bauarbeiter auf die Baustelle für die Autobahn.

Da in Deutschland keine Durchgriffshaftung besteht, kann wegen dieser komplizierten Auftragswege der eigentliche Auftraggeber, das Land Berlin, für die Zahlung der Löhne nicht in Anspruch genommen werden. Zahlen muß nur die polnische Firma – doch die hat keinen Pfennig mehr.

In Anbetracht dieser ungünstigen Ausgangslage macht sich Resignation unter den Bauarbeitern breit. Die plötzliche Räumungsandrohung tut dann ein übriges. „Die Bauarbeiter haben sowieso kaum noch Hoffnung, daß sie irgendwann ihr Geld sehen“, so Leszek Oswiecimski von ZAPO. Doch jetzt hätten sie nicht einmal mehr Zeit, irgendwie zu handeln und beispielsweise durch eine Klage ihr Recht durchzusetzen.

Für die Bauverwaltung sei die Drohung mit der Räumung jedoch die einzige Möglichkeit gewesen, der „Unruhe auf der Baustelle“ ein Ende zu setzen. Die beanstandete Unruhe sei vergangenen Freitag durch ein Kamerateam entstanden, das ZAPO bei ihrer Arbeit filmte. „Wildfremde Leute sind da auf der Baustelle rumgetobt“, erklärt Petra Reetz. Das sei ein „untragbarer Zustand“ auf der Baustelle gewesen, bekräftigt Peter-Ullrich Kunert.

Der Mann mit dem Schnauzer muß nun seinen Arbeitern erklären, wie der Stand der Verhandlungen ist: Ihnen wurde von Wolf &Müller eine „Ersatzunterkunft“ in Lichtenberg angeboten, die sie bis Freitag beziehen können. Doch die Männer haben Angst: Wenn sie die Baustelle verlassen, so fürchten sie, verlieren sie in Polen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. So ist die polnische Rechtslage.

Außerdem würde ein Verlassen der Baustellen ihnen endgültig jede Hoffnung auf eine Ausbezahlung ihres Lohnes nehmen. Demgegenüber steht ihre Angst vor einer gewaltsamen Räumung. Wohin sollen sie denn, wenn die Polizei eingreift? So hätten sie wenigstens für zwei Tage eine Unterkunft.

Nach einem langen Hin und Her gewinnt schließlich die Angst vor einer gewaltsamen Räumung der Polizei. Die achtzehn Bauarbeiter entschließen sich zu einer „freiwilligen“ Räumung. Schnell sammeln sie ihre Tüten und Taschen zusammen und verlassen in Polizeibegleitung das Baugelände.

Jedem wird noch kurz eine Bescheinigung in die Hand gedrückt, die bestätigt, daß sie die Baustelle verlassen mußten. Ob ihnen das jedoch bei ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld in Polen hilft, wird sich erst zeigen. Vor dem Zaun stellen sie ihre Taschen ab und schauen unschlüssig ins Leere. Einer geht hin und her, doch wohin er gehen kann, das scheint er nicht zu wissen.

Und während sich die Arbeiter gedankenverloren ihre ungewisse Zukunft ausmalen, hält am Straßenrand ein roter BMW. „Wo geht's denn hier zum Stinnes Baumarkt?“ will der Fahrer wissen. Sylwester Wawrzynczak von ZAPO zuckt mit den Schultern. Wo's langgeht? „Weiß ich nicht!“