'100 gr. Rindersalami' bitte

■ Freitag bei Aldi – Einkauf wie immer: Wer kann sich den Bio-Metzger schon leisten?

Freitag, 15.30 Uhr, Rush-hour für den Wochenendeinkauf beim Penny-Markt auf St. Pauli. Ratlos wippt der Punk vor dem Wurstregal auf und ab. Geflügelleberwurst im Plastikdarm? Oder vielleicht doch die „Kindermosaik-Pastete“mit dem eingeschweißten Fleischwurst-Lächeln? Nein, es wird die magere Rindersalami, 100 Gramm für 1,79 Mark. Ewig haltbar, vakuumverpackt. Bezahlbar eben. Wie alles hier. Rindersalami also. Und was ist mit Rinderwahn, BSE?

„Ey, da kann ich drauf scheißen“, pöbelt der Punk zurück. „Ob ich jetzt auf der Straße Dieselgestank einatme oder hier Salami... nee, das kann's doch wohl nicht sein, ey.“Genau, pflichtet ihm ein Rentner bei. Was soll man auch sonst essen? Nichts als „Bangemacherei und Aufschneiderei“sei das, was die Medien da seit dem Wochenende über illegal aus Großbritannien nach Deutschland transportiertes und hier verwurstetes Rindfleisch verbreiteten. Und deshalb – also er kaufe weiter „das, was mich die Jahre zuvor auch nicht wahnsinnig gemacht hat“.

„Den Leuten“, sagt ein blonder Mann im Aldi an der Holstenstraße, „bleibt doch nichts anderes“: Sicher, man könne verzichten oder zum Bio-Metzger wechseln und vertrauen, daß dessen Rinderbraten stets auf der heimischen Weide hinterm Haus herumgaloppiert sei. Doch damit sei „die beste Errungenschaft seit dem Krieg“, nämlich „erschwingliches Fleisch für alle“, dahin. „Denn wer kann sich den Bio-Metzger schon leisten?“

Viele, die hier ihre Einkaufswagen durch den Aldi schieben, sehen nicht so aus. Manche wissen nicht einmal um die BSE-Gefahr. „Sehr schlecht deutsch“, wimmelt eine junge Frau mit osteuropäischem Akzent die Frage nach dem Fleischkonsum ab. Wer hat sie informiert? Hat ihr überhaupt jemand gesagt, daß BSE-verseuchtes Fleisch in die Supermarkt-Regale gelangt sein könnte und daß sie nun selbst entscheiden muß?

„Ach“, sagt eine andere Frau, „das bringt doch alles nichts.“„Selbstverständlich“werde sie „jetzt erstmal kein Rind kaufen, allein schon“, der Blick streift den Jungen in der Karre, „wegen meinem Kleinen.“Aber wo gebe es schon Sicherheit? „Schweinemast produziert Krankheiten, Hühner werden mit Antibiotika gefüttert.“Ja, gut, auf Pute könne man noch ausweichen. Doch auch hierauf ist kein Verlaß mehr: Wo oben „Putensalami“angepriesen wird, findet sich als kleingedruckte Zutat dann doch oft auch „Rindfleisch“.

Ob es bereits Umsatzeinbußen gibt, können die wenigsten Supermärkte derzeit schätzen. Der Schlachter um die Ecke schon: „Die Leute haben keine Panik, aber sie kaufen weniger.“ Heike Haarhoff