■ Zur Einkehr
: Bremer Sommer

Nur noch das Wochenende, und dann sind sie wieder weg: die Bratfettvirtuosen, Bierhahndompteure und die Maîtres de pommes frites avec sauce mayonnaise, die dem Bremer Sommer erst den Flair zweifelhafter internationaler Gaumenfreuden verleihen. Zwei Tage kann man sich noch den Magen füllen oder verderben, und wir sagen, wo beides mit Esprit gelingen kann.

Der erste Gang führt nach Frankreich. In Höhe des Domshof residiert die Crêperie de Thomas. Der Verkaufsstand, total originell dekoriert in den Farben der Trikolore inklusive? – genau, Eifelturmmotiv, sieht aus wie die Reste eines Auffahrunfalls bei Tempo 180. Gerade mal ein halber Wohnwagen birgt zwei muffelige Eierteigrührer, die eingerahmt von Nutellaglastürmen (den Crêpe gibt's für 4,50 DM) lustlos die dünnen Lappen auf die heiße Platte schmieren. Wer unter so unwürdigen Bedingungen sein Dasein fristen muß, dem kann man nicht verübeln, daß die Produkte seiner entfremdeten Arbeit von ihrer tränenreichen Herkunft zeugen. Der Stand ist also nur für die Barmherzigsten zu empfehlen, denen die tägliche gute Tat wichtiger ist als eine genießbare Mahlzeit.

Der wenige Meter entfernt liegende Stand Das Beste aus Holland macht Alpträume wahr. Zwischen karierten Platzdeckchen und Holzpantinen, deren Dekor beim Betrachtenden Todessehnsucht weckt, ringen unter schweiß-treibender Folie unschuldige Käsestullen nach Frischluft. Die Ururgroßmutti von Frau Antje bewacht mit sichtlich gezeichnetem Antlitz (hat sie etwa probiert? Mein Gott!) den dahinwelkenden Gouda und sieht nicht so aus, als würde sie die von extremer Geschmacksverirrung zeugende Äußerung eines Kaufwunsches in Ekstase versetzen. Älteren Menschen sollte man Respekt zollen, also spart man sich das Geld und investiert es sinnvoll in die 'HassemaneMark'-Fraktion unter den Rathausarkaden.

Ernüchtert verlasse ich Europa und richte den Blick in die Ferne, auf das japanisch-koreanische Restaurant Gin Seng neben dem Roland. Auf einer Fläche, auf der die Anwesenheit von einem schon zwei zuviel sind, mixen vier AsiatInnen aus dampfenden Woks für 9-12 DM drei schmackhafte Reismenüs. Trotz Kimonovollverkleidung reichte mir die Bedienung den Teller ohne jedes Anzeichen von Anstrengung oder Schweißbildung. Wow! Essen kann man auf Bänken vor der Hütte. Allerdings ist dort höchste Vorsicht geboten. Während ich aß, versuchte mein Sitznachbar, mir seine in Soja getränkten Eßstäbchen ins Auge zu rammen. Ein gezielter Handkantenschlag auf den Solarplexus überzeugte ihn aber von der Verwerflichkeit des Ansinnens. Nach kurzem Disput wurden wir schließlich Freunde fürs Leben. Ja, auch das ist der Bremer Sommer. zott