Dünner, größer, billiger

■ Der Trend auf der Europäischen Solarkonferenz in Barcelona war deutlich: Solarfirmen in Japan und den USA setzen auf neue Technologien, um die Solarzellen der Zukunft zu entwickeln. Ein Bericht

Am Himmel zeigten sich Wolken, aber auf der 14. Europäischen Solarenergie-Tagung in Spanien herrschten Optimismus und Sonnenschein. Über 1.200 Teilnehmer und 91 Aussteller großer und kleiner Solarfirmen präsentierten die neuesten Erkenntnisse und Produkte der Photovoltaik. Die große Zahl der Aussteller, die sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt hat, wurde von den Veranstaltern als deutliches Zeichen für das Wachstum des Photovoltaikmarktes gewertet.

Mehr als 800 Präsentationen waren im Palacio de Congresos de Barcelona zu sehen: physikalische Grundlagen, neue Zellen und Materialien, Module, Komponenten, Politik, Finanzierung und vieles mehr. Trend: weg von der reinen Wissenschaft, hin zur Anwendung. Besondere Beachtung fanden die im Gebäude integrierten Anlagen. Die größte dieser Art mit 1 Megawatt (MW) elektrischer Leistung entsteht gerade in Herne (Nordrhein-Westfalen). Hier bilden die Solarmodule gleichzeitig das Dach und passen sich zur Freude der Architekten vollkommen an das Gebäude an.

Höhepunkt waren indes nicht die hocheffizienten Siliziumsolarzellen, die mittlerweile Wirkungsgrade bis zu 24,5 Prozent erreichen, sondern vielmehr die Ankündigung vieler Firmen, mit der Serienfertigung einer neuen Generation zu beginnen. Sammelbegriff: Dünnschichtsolarzellen. Sie können auf billigen Oberflächen wie Glas oder Stahlblechen großflächig abgeschieden werden. Das führt zwar nicht zu neuen Rekorden bei der Ausbeute des Sonnenlichts und der Stromproduktion pro Fläche, aber zu billigen Solarzellen mit flexiblen Anwendungsmöglichkeiten. Es sind vor allem drei Materialien, die in dieser Technologie versuchen, den klassischen Solarzellen den ersten Rang streitig zu machen: amorphes Silizium, Cadmiumtellurid und Kupferindiumselenid.

Die besten Chancen, in den nächsten zehn Jahren die Nachfolge der kristallinen Solarzellen anzutreten, hat amorphes Silizium. Viele Firmen stellten ihre neuesten Produktionslinien für dieses Material vor. Bei der Herstellung wird auf die teure Kristallproduktion verzichtet und eine gasförmige Siliziumverbindung auf Glas oder Metallblechen abgeschieden. Sogar Kunstoffolien sind mögliche Unterlagen, wie auf der Konferenz gezeigt wurde. Bei diesem Beschichtungsvorgang sind geringere Temperaturen (weniger als 300 Grad Celsius im Vergleich zu etwa 1.400 Grad bei kristallinen Solarzellen) nötig, es wird Material gespart, und es können große Flächen mit einem kontinuierlichen Prozeßablauf zu einer Solarzelle verarbeitet werden. Das spart deutlich Energie und Kosten.

Aber die amorphen Schichten haben auch ihre Schattenseiten. Anders als die stabilen kristallinen Zellen verschlechtert sich der Wirkungsgrad amorpher Zellen unter Belichtung. Obwohl die Zellen bei Erwärmung im Sommer wieder ausheilen, kommt es zu einer sogenannten Degradation. Auf diesem Gebiet wurde in den vergangenen Jahren viel geforscht, vor allem in Japan, da es auf dem Gebiet der amorphen Zellen noch immer deutlich den Markt beherrscht. Allerdings nicht für Solarmodule, sondern für Taschenrechner und Uhren, den sogenannten Kleinanwendungen.

Eine auf der Konferenz vorgestellte Studie zeigt, daß die Wirkungsgrade der untersuchten amorphen Zellen innerhalb von neun Jahren von 4,5 auf nahezu 3,5 Prozent sanken: im Licht gealtert, ein für Solarzellen wahrlich unvorteilhaftes Verhalten. Die heutigen Zellen bestehen allerdings nicht mehr aus einzelnen Schichten. Inzwischen werden stabilere zwei- und dreischichtige Zellen, sogenannte Tandem- und Tripelzellen produziert. Weil jede dieser Schichten einen anderen Bereich des Sonnenspektrums absorbiert, erreicht man Wirkungsgrade von bis zu neun Prozent nach der Degradation.

Mehrere Firmen in den USA und in Japan haben auf diese Technologie gesetzt und werden mit einer Jahresproduktion von mehreren Megawatt versuchen, den Markt zu bestimmen. Damit ist amorphes Silizium mit Abstand die am weitesten fortgeschrittene Dünnschichttechnologie. Nach Ansicht von Experten wird es aber noch eine Weile dauern, bis sie den Markt beherrschen.

Martin Green, Professor an der Universität in New South Wales, Australien, äußerte sich nach der Konferenz optimistisch, daß auch die herkömmlichen kristallinen Siliziumzellen eine Zukunft haben, wenn die Erkenntnisse der Forscher konsequent in der Produktion umgesetzt werden. Green, dessen Institut den Wirkungsgradweltrekord für Siliziumzellen hält, nannte die Umsetzung der mit Lasern eingebrannten Frontkontakte, die sowohl den Wirkungsgrad erhöhen als auch die Produktion billiger machen, als eines der gelungenen Beispiele, wie wissenschaftliche Innovationen direkt in die Produktion einfließen können. Die Firma BPSolar beispielsweise hat damit bessere Wirkungsgrade und niedrige Produktionskosten erzielen können.

Aber auch Cadmiumtellurid (CdTe) und Kupferindiumdiselenid (CIS), die beiden Mitkonkurrenten des amorphen Siliziums, könnten in den kommenden Jahren Marktanteile gewinnen. Im nächsten Jahr wird BPSolar mit einer CdTe-Zelle auf den Markt kommen. Kein Zweifel, Dünnschichtexperte von NREL, dem Nationalen Forschungslabor für regenerative Energien in den USA, gibt CdTe gute Chancen. Der entscheidende Vorteil ist der einfache Herstellungsprozeß. In nur 15 Minuten läßt sich auf einer Fläche von etwa 0,7 Quadratmetern eine Zelle mit neun Prozent Wirkungsgrad herstellen.

Auch CIS-Solarzellen werden in den kommenden Jahren in den Handel kommen. Siemens Solar, die amerikanische Tochter des Siemenskonzerns, hat eine Pilotproduktion dieses Materials angekündigt. Mit CIS-Laborzellen wurden schon Wirkungsgrade von 17,7 Prozent erreicht – Weltrekord für Dünnschichtzellen. Aber es gibt Probleme, die Produktionsprozesse von Labor- auf Industriegröße umzustellen. Bei bisherigen Zellen schwankte der Wirkungsgrad, und hohe Luftfeuchtigkeit macht den Zellen zu schaffen. Bei Siemens Solar will man dies alles in den Griff bekommen und plant den Schritt aus dem Labor hinaus: In Kalifornien sollen großflächige Module gebaut werden.

Wie billig werden Solarzellen, wenn sie im großen Maßstab produziert werden? Zwei Studien wurden in Barcelona vorgestellt, die dieser Frage nachgehen. Die Prognosen klingen vielversprechend. Der Preis für ein Watt Solarzellenleistung könnte auf 0,7 Ecu (etwa 1,40 DM) fallen – ein Fünftel des heutigen Kaufpreises –, wenn die Jahresproduktion von heute etwa 100 auf 500 Megawatt pro Jahr ansteigt. Für Dünnschichtsolarzellen kommt man sogar auf einen Preis von nur 0,6 Ecu pro Watt. Das amerikanische 1-Millionen-Dächer-Programm erwartet im Jahr 2010 einen Preis für die Kilowattstunde Solarstrom von nur 6 Cents. Wenn diese Kostenschraube, die seit Jahren den Computermarkt in Schwung hält, auf die Solarzellen übergreift, wird Solarstrom vielleicht bald die Konkurrenz für den herkömmlichen Strom aus der Steckdose. Eric Schaar-Gabriel

Der Autor ist Diplomphysiker und Doktorand im Bereich der Solarenergieforschung am Hahn-Meitner-Institut Berlin,

Telefon (030) 8062-2175.