Forschen allein ist zuwenig

■ Solarenergie wird zwar längst täglich genutzt, hat bisher aber noch keinen Zugang in die Ausbildungsrichtlinien der einschlägigen Handwerksberufe gefunden

Forschungseinrichtungen jeden Kalibers, Modellprojekte, Förderprogramme, Studien noch und noch: Mit der angeblich landestypischen Gründlichkeit haben sich die Deutschen in den letzten Jahren der Solarenergie angenommen – und dabei dennoch eines vergessen. Was fehlt, meint Diethard Stamm, stellvertretender Leiter der Techniker Schule im hessischen Butzbach (TSB), sind qualifizierte Leute, die die Anlagen aufs Dach montieren.

In der Tat kann auch heute noch ein Elektrikerlehrling die Gesellenprüfung ablegen, ohne je eine Photovoltaikanlage gesehen zu haben, und wer keinen blassen Schimmer von Solarthermie hat, braucht deshalb noch lange kein schlechter Heizungsbauer zu sein. Wer glaubt, die Solartechnik sei inzwischen aus dem Erprobungsstadium hinaus, hat nicht bedacht, wie lang für eine derartige Erkenntnis der Weg in bundesdeutsche Vorschriftensammlungen ist.

Zwar reicht die Palette der Weiterbildungsangebote vom Wochenendkurs für jedermann bis zu mehrjährigen Studiengängen für Facharbeiter. Auch einige Berufsschulen versuchen, ihren Auszubildenden den aktuellen Stand in Sachen Solarstrom und -wärme zu vermitteln, und sie haben nicht nur die entsprechenden Lehrpläne, sondern auch jede Menge praktische Erfahrungen vorzuweisen. Für einen bundesweit einheitlichen Standard hat dies allerdings noch nicht gereicht. Wenn man in der Ausbildungsordnung von Handwerksberufen etwas ändern wolle, seufzt Uwe Hartmann von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, dauere das etwa 10 Jahre.

Ginge es dabei nur nach den einschlägigen Betrieben, ließe sich nach Meinung vieler Experten das Tempo durchaus forcieren. Das gestiegene Umweltbewußtsein wirkt sich längst auf die Nachfrage aus, und so darf sich ein Sanitär-, Heizungs-, Klimatechniker, der auf Erfahrungen mit Solarkollektoren verweisen kann, ebenso handfeste Wettbewerbsvorteile ausrechnen wie der Elektriker, der sich mit Photovoltaik auskennt.

Ein Großteil der angebotenen Kurse richtet sich denn auch an gestandene Handwerker, die nur noch relativ wenig Zusatzwissen benötigen, um mit der gar nicht mehr so neuen Technologie zurechtzukommen. Der Bund der Energieverbraucher zum Beispiel bietet in Kooperation mit anderen Institutionen an neun verschiedenen Orten Solarschulungen an. Nach 32 Unterrichtsstunden können Handwerksgesellen in einer Prüfung den Titel des Solarfachberaters (für Thermie oder Photovoltaik) erwerben, Absolventen ohne handwerkliche Ausbildung dürfen sich Solarberater nennen.

Der Energieverbraucherbund, so sein Präsident Aribert Peters, will mit diesem Konzept die Technologie einem möglichst breiten Personenkreis zugänglich machen, dabei aber freilich auch gerade den interessierten Laien zeigen, wo ihre Grenzen liegen. Wer sich allein mit dem an vier Lehrgangstagen erworbenen Wissen als Solarberater selbständig machen will, sollte sich das genau überlegen: „Der Markt ist hart“, so Peters.

Auch Diethard Stamm von der Butzbacher Techniker Schule warnt davor, die Kurzzeitkurse mit einer profunden Berufsausbildung zu verwechseln: „Wir bilden unsere Leute zwei Jahre lang aus, und die wissen dann immer noch nicht alles.“ Allerdings sind Angebote wie das der TSB oder der berufsbegleitende Studiengang „Energie und Umwelt“ der Universität/Gesamthochschule Kassel auch nicht nur auf die Vermittlung von Grundlagen und praktischen Aspekten der Solarenergie ausgerichtet, sondern umfassen den gesamten Bereich ökologischer Energienutzung.

So viel aber braucht weder der Dachdecker zu wissen, der eine Solaranlage montieren will, noch der Elektriker oder Heizungsmonteur, der sie anschließt. Angesichts der derzeitigen Ausbildungslücken allerdings zeigt sich nicht nur der Berliner Umweltsenator Peter Strieder (SPD) unzufrieden: „Es genügt nicht, wenn wir in unseren zahlreichen Forschungseinrichtungen herausfinden, was theoretisch zu tun wäre. Wir müssen es auch praktisch umsetzen.“ Jochen Siemer