Vor der Abschiebung kein Abschied von der Familie

■ Pfarrer protestierte gegen rabiate Polizisten – und wurde in Handschellen gelegt

Berlin/Linkenheim (taz) – Als bei Pfarrer Joachim Knab morgens um halb fünf das Handy fiepte, ahnte er nicht, daß kurze Zeit später Handschellen an seinen Unterarmen klicken würden. Doch der Morgen, der mit einem Notruf und einer guten Tat begann, endete für den Geistlichen aus dem badischen Linkenheim im Polizeigriff dreier Beamter. Mit einem blauen Fleck am linken Arm erstattete der Pfarrer Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Polizei. Die wiederum will Knab wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt anzeigen.

„Ich habe nichts gegen die Polizei“, versichert Joachim Knab, „aber das war Willkür.“ Dem Willkürakt gegen Knab ging ein Willkürakt gegen Mehmet Osoy voraus, Kurde und Gottesdienstbesucher der Gemeinde zu Linkenheim. Der Familienvater bat Knab und seinen Pfarrvikar Montag morgen über den Gemeindenotruf um Hilfe. Knapp ein halbes Dutzend Polizeibeamter hatten ihn, den abgelehnten Asylbewerber, aus dem Bett geklingelt, um ihn so eilig wie möglich nach Istanbul abzuschieben.

Der herbeigerufene Geistliche forderte von den Beamten, Mehmet Osoy zumindest noch eine halbe oder ganze Stunde zu lassen, damit er seine Habe packen und sich von seiner Familie verabschieden könne – „so steht es schließlich im Ausländergesetz“, so Knab.

Daraufhin kam es zu einem Wortwechsel, bei dem die Beamten den Geistlichen aufforderten, sie bei ihrer „Amtshandlung“ nicht zu stören. Knab legt dabei Wert auf die Tatsache, daß er den Beamten „zu keiner Zeit“ im Weg gestanden hätte.

Doch auch der mündliche Protest allein war den Polizisten schon zuviel. „Plötzlich sagte der Gruppenführer: Nehmt den Pfarrer fest“, erzählt Knab. Als er seine Hände nicht in die Handschellen stecken wollte, überwältigten ihn drei Beamte. Mehmet Osoy wurde abgeführt und umgehend nach Istanbul ausgeflogen, der Pfarrer sofort wieder freigelassen.

Ob er „renitent“ war oder nicht, entscheidet jetzt möglicherweise ein Gericht. Osoy übrigens meldete sich inzwischen aus Istanbul: Zwei Tage und Nächte wurde er im Gefängnis verhört und auch geschlagen. Aber das ist eine andere Geschichte. Barbara Dribbusch