Sozialbehörde spart an der Vernunft

Teuer, aber wahr: Ämter wollen Genossenschaftsanteile nicht finanzieren  ■ Von Heike Haarhoff

Besser 42 Quadratmeter zu viert als gar kein Dach über dem Kopf, sagte sich Sabine Paulus*. Und zog, als sie ihre Wohnung verlor, mit ihren beiden fünf Jahre und sieben Monate alten Kindern zu ihrer Mutter. Vorübergehend, tröstete sich die 29jährige. Denn als „akut obdachlose Sozialhilfeempfängerin“wurde Sabine Paulus ja vom Sozialamt als „vordringlich Wohnungssuchende“anerkannt. Was dann folgte, nennt der Hamburger Verein für Jugendsozialarbeit Hude, der die junge Frau betreut, „unhaltbar“.

Ein erstes Wohnungsangebot an der Reeperbahn mußte sie der Kinder wegen ablehnen. Günstiger erschienen ihr da 71 Quadratmeter für 554 Mark Miete in Altona. Einziger Haken: Für die Wohnung mußten für 6700 Mark Genossenschaftsanteile gezeichnet werden – eine Summe, die Sabine Paulus nur mit Hilfe des Sozialamts aufbringen konnte.

Doch das weigerte sich und verwies auf einen „behördeninternen Beschluß“: Danach würden für Einzelpersonen nur noch Anteile von bis zu 4000 Mark übernommen, für jede weitere Person bis zu 1000 Mark. Fehlen 700 Mark, rechnete Frau Paulus und bat ihre Mutter, dafür Eigenanteile zu zeichnen. Aber auch das lehnte das Amt ab. Bis Hude vorrechnete, daß die Anmietung einer vergleichbaren Wohnung die Stadt gut das Doppelte kosten bzw. die drohende Hotel-unterbringung noch teurer kommen könne.

„Das ist kein bedauerlicher Einzelfall, sondern bald die Regel“, warnt der Arbeitskreis Wohnraumversorgung. Selbst auf dem städtischen Wohnungsmarkt würden die „Versorgungschancen“von SozialhilfeempfängerInnen zunehmend „reduziert“. Grund ist eine ebenso schlichte wie eindeutige Anweisung der Sozialbehörde vom 17. Juni an die sieben bezirklichen Sozialämter (taz hamburg berichtete): Es müsse „Grenzen der Sozialhilfe bei der Wohnraumbeschaffung“geben. 82.000 Haushalte „unterstützt“die Stadt derzeit mit jährlich 680 Millionen Mark Miet- und Lebensunterhalts-Kosten. Zu viel Geld, mahnte der Rechnungshof die Behörde Anfang April zum Sparen. Die reagierte prompt: SozialhilfeempfängerInnen sollten ab sofort nur noch Anspruch auf kleine, alte, öffentlich geförderte Wohnungen haben. Wieviel dadurch gespart werden kann, „wissen wir nicht, weil noch unklar ist, in welcher Höhe die jetzigen Richtwerte abgesenkt werden“, sagt Sprecherin Petra Bäurle.

Klar ist nur, daß Wohngenossenschaftsanteile – wie bei Sabine Paulus – nur noch ausnahmsweise von der Stadt finanziert werden. „Es kann nicht angehen, daß Genossenschaftswohnungen nur noch für Sozialhilfeberechtigte erschwinglich sind, weil für sie das Sozialamt die Anteile übernimmt“, rechtfertigte die Leiterin des Amts für Soziales und Rehabilitation, Elisabeth Lingner, diesen Beschluß in einem Schreiben vom 30. Juli an den Verein Hude.

Auch der Leiter des Landessozialamts, Helmut Hartmann, kann in den neuen Regelungen „keine Diskriminierung erkennen“. Die Richtwerte hätten sich „an der tatsächlichen Mietpreisbildung am Wohnungsmarkt zu orientieren“. Dort hätten sich „Veränderungen ergeben“, schrieb er dem protestierenden Arbeitskreis Wohnraumversorgung am 8. August. Im übrigen, so Hartmann, werde ja jeder Einzelfall geprüft.

Das stimmt: Auch einem pakistanischen Ehepaar mit drei Kleinkindern wurde kürzlich der Umzug aus einem Flüchtlingsheim in eine Wohnung aus dem „Wohnungsbauprogramm für Obdachlose“durch das Sozialamt Blankenese zunächst verweigert. Zur Begründung hieß es, die Genossenschaftsanteile in Höhe von 60 Mark pro Quadratmeter seien zu hoch. Auch in diesem Fall mußte der Arbeitskreis Wohnraumversorgung erst daran erinnern, daß ja die Stadt selbst das genossenschaftliche „Wohnungsbauprogramm für Obdachlose“begrüßt hatte.

Diese Praxis erwecke „den Eindruck, daß die Bemessung derzeit von Willkür geprägt ist“, schrieb der „Arbeitskreis Beratungsstellen“, eine soziale Einrichtung für Wohnungslose, dem Landessozialamt am 10. August. Nur wer als SozialhilfeempfängerIn in einer ohnehin von „Enttäuschung, Unsicherheit und Hoffnungslosigkeit geprägten“Lebenssituation nicht den Mut verliere, sondern „energievollen Einsatz“beweise, habe überhaupt noch eine Chance auf eine bezahlbare Bleibe.

*Name geändert