Grüne in Kisten

■ Umzug zur Schlachte „an den Fluß“

Die Bremer Grünen haben sich in diesen Tagen mit ihren Yucca-Palmen zwischen Umzugskisten verbarrikadiert: Noch kein Schildchen in dem alten Handelshaus an der Schlachte 19/20 verrät, daß hier der Strukturwandel die alten Geschäftsleute heraus, die modernen Politik-Dienstleister hineingezwungen hat. Auch der freundliche Herr am Fahrstuhl, der in die Dachetage fahren will, wußte am Freitag nicht, ob und wo man im Hause die Grünen findet.

Aber immerhin wollen sie mit drei Etagen den größeren Teil des Geschäftshauses schräg neben der schiefen Teerhofbrücke bevölkern: insgesamt gut 600 Quadratmeter Bürofläche mit Blick zur Weser, jedenfalls nach vorn heraus. Wenn die Computer-Spezialisten in ein paar Tagen die Verkabelung fertig haben, dann werden Bremens einstige Alternativ-Ökos über das größte und modernste Büro im Vergleich zu allen anderen Parteien im Lande verfügen. Und im Unterschied zu der gleichfalls modern eingerichteten Etage der AfB wenige hundert Meter weiter an der Martinistraße haben die Grünen ihren Mietvertrag lange über die derzeitige Legislaturperiode hinaus abgeschlossen. Mit ca. 14 Mark pro Quadratmeter für die vollkommen umgebauten Räume liegt die Miete an Bremens bester Stadtadresse auch marktgerecht niedrig. Für die leerstehende Parterre-Laden-Etage an der zukünftigen Promenier-Meile sucht der Hausbesitzer noch einen Pächter – „Fleck&Kohler“steht da an der Schaufensterscheibe, „Industrietechnik seit 1893“, das stimmt aber seit Monaten nicht mehr.

Den mit Abstand angenehmsten großen Raum in der ersten Etage hat das grüne Fraktionsbüro mit dem am Telefon und per Anrufbantworter rund um die Uhr präsenten Thomas Kollande erhalten. Von hier blickt man bequem auf die Promenade am Fluß. „Zwölf große Umzugskisten von Ralf Fücks habe ich gepackt“, stöhnt der Organisator des Umzuges. Fücks war bis 1991 Mitarbeiter der Fraktion und ist einer der einfrigsten Sammler und Archivar wichtiger Unterlagen.

Etwas zur Seite hin liegt das Zimmer der Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck und ihrer Bosnien-engagierten Mitarbeiterin Andrea Frohmader, Kartons stapeln sich da auf Kartons, dazwischen immerhin die bequemsten Kunstleder-Feauteuils der ganzen Fraktion. Klar abgegrenzt von der Fraktion erreicht man über eine Fliesen-Brücke im ersten Stock auch die Räumlichkeiten des Landesverbandes der Partei, die auch schon im Büro Rembertistraße zur kleinen Untermieterin der mächtigen und reicheren Landtagsfraktion geworden war.

Im zweiten und dritten Stock sind die Büros der Abgeordneten und der MitarbeiterInnen – geradezu großzügig vom Platz her, verglichen mit den Karnickelbuchten, in denen früher gearbeitet werden mußte. In den großen Fluren stehen neue Naturholz-Regalständer, die für neue Ordnung sorgen sollen. Investiert wurde bei dem Umzug, der insgesamt über 150.000 Mark gekostet hat, auch in neue Schreibtische.

Heiß begehrt waren natürlich die Zimmer nach vorn heraus, Spitzen-Abgeordnete wie Helga Trüpel und Karoline Linnert dürfen sich zum Beispiel eines teilen. Aber auch einfache MitarbeiterInnen sitzen nach vorn heraus, streng unhierarchisch halbe-halbe: „Es ist schon darauf geachtet worden ...“deutet Hermann Kuhn an, der fleißige Parlamentspräsident, der als erster Abgeordneter seine Kisten vollkommen ausgepackt hat. Da er noch einen Arbeitsplatz im Haus der Bürgerschaft hat, begnügt er sich hier freiwillig mit einem der Einzelzimmer, die zu den schmalen schattigen Seitenhof-Streifen hinausgehen.

Zwei große Sitzungsräume haben die Grünen sich genehmigt, der Fraktionsgeschäftsführer Rainer Oellerich hat endlich auch einen Besprechungstisch in seinem Reich. So großzügig sind die Büroetagen der Fraktion bemessen, daß zwei weniger attraktive Räume bisher nicht verplant sind. „Für den 15. und 16. Abgeordneten nach der nächsten Wahl“, schmunzelt Oellerich. „Und für den 17. haben wir dann keinen Platz mehr?“, sorgt sich Hermann Kuhn.

Auch eine neue, günstigere Telefonnummer haben die Grünen mit dem Umzug erhalten: 30 11 – 0. Nur daß in einer Woche, wenn die Lehrer und Politiker aus den Sommerferien kommen, außer Thomas Kollande jemand drangehen könnte und die Fraktion arbeitsfähig sein wird, das scheint nach dem derzeitigen Stand der Kisten ausgeschlossen. K.W. / Foto: T.V.