Atomprojekt in Korea beendet?

Fabriken für A-Bomben-Programm bleiben geheim  ■ Von Peter Sennekamp

Berlin (taz) – „Frieden schaffen auf der Koreanischen Halbinsel, Atomkontrolle gegen Atomkraftwerke.“ So präsentierten sich in der vergangenen Woche US-Vertreter und die nordkoreanische Staatsführung in den internationalen Medien. So wurde denn auch medienwirksam der Grundstein für die Reaktoren gelegt. Mit starren Mienen verfolgten die anwesenden Vertreter die Zeremonie. Doch das Atomkraftwerk wird voraussichtlich nie fertiggestellt, denn Vertragsbruch und finanzielle Probleme wurden offenbar. Die Koreaner lassen eine wirksame Kontrolle ihrer Atomanlagen nicht zu, kassieren aber die internationale Hilfe.

Nach langwierigen Verhandlungen hatten sich die Vertreter des US-geführten Energiekonsortiums „Kedo“ und die nordkoreanische Staatsführung unter Kim Jong Il offiziell geeinigt: Nord-Korea versprach, seine Atomwaffenprogramme offenzulegen und das Kedo-Konsortium mit den Hauptakteuren USA, Süd-Korea und Japan sicherte im Gegenzug den Bau von zwei Atomreaktoren in Nord- Korea zu, inklusive der nötigen Kreditbeschaffung. Auch die Lieferung von 500.000 Tonnen Heizöl jährlich wurde vereinbart, bis die Reaktoren am Netz sind.

David Kyd, Sprecher der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), mußte inzwischen eingestehen, daß die nordkoreanische Führung keinerlei Informationen preisgeben wird, über wieviel Plutonium für den Bau von Atombomben sie tatsächlich bereits verfügt. Zugeständnisse machte die Staatsführung lediglich bei der Kontrolle von 8.000 plutoniumhaltigen Brennelementen, die zur Zeit aus einem kleinen Experimentalreaktor mit 5 Megawatt Leistung bei Yongbyon entfernt werden und für die Gewinnung von Bombenplutonium geeignet sind. Ebenso verpflichtete sich Nord- Korea, zwei im Bau befindliche Reaktoren mit 200 Megawatt in Taechon und 50 Megawatt in Yongbyon nicht weiterzubauen und statt dessen auf die Kedo- Reaktoren zu warten.

Das US-Außenministerium vermutet hingegen, daß bereits Ende der achtziger Jahre Brennelemente aus dem Experimentalreaktor entfernt wurden, um daraus Plutonium zu gewinnen. Denn erst sechs Jahre nachdem Nord- Korea im Jahr 1985 dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten war, durften IAEO-Beobachter ins Land – Zeit genug also, um Spaltmaterial aus dem Reaktor unerkannt abzuzweigen. Die Führung in Pjöngjang äußerte dazu lediglich, es seien einige defekte Brennelemente ausgetauscht und „nur sehr wenig Plutonium produziert“ worden.

Seit einigen Jahren nun sind drei Atominspektoren der IAEO in Nord-Korea stationiert. Sie dürfen jedoch ausschließlich vor dem Experimentalreaktor in Yongbyon Wache stehen und überprüfen, daß kein Material aus der Anlage geschafft wird. Bei zwei weiteren getarnten Anlagen, in denen plutoniumhaltiger Atommüll gelagert wird, bleibt ihnen die Kontrolle verwehrt. Darum überwachen die USA inzwischen verstärkt per Satellit die Atomanlagen.

Der Streit schwelt bereits seit 1994, als die IAEO die nordkoreanische Führung ultimativ aufforderte, den Inspektoren Zugang zu gewähren. Nord-Korea konterte, es handele sich nur um konventionelle Militäranlagen. Ein Einlenken der Staatsführung ist bis heute nicht abzusehen. Darum stellte am Tag vor der Grundstein-Zeremonie in Nord-Korea der Sprecher des US-Außenministeriums, James Rubin, klar, daß keine wichtigen AKW-Komponenten für die Kedo-Reaktoren nach Nord-Korea geliefert würden, bevor nicht alle Nuklearkontrollen möglich seien. Auch David Kyd erklärte gegenüber der taz, daß das Kedo- Konsortium „nicht mehr plant, die zwei Reaktoren im vorgesehenen Zeitraum fertigzustellen“. Ein Zeitpunkt für die Fertigstellung sei derzeit nicht mehr abzusehen.

Auch die Finanzierung des Projekts steht auf wackeligen Beinen. Auf die Frage von Pressevertretern, ob die Kedo-Gelder überhaupt gesichert seien und ob der Ölstaat Brunei und die Asean- Verbundstaaten ihre Beteiligung endlich zugesagt haben, blieb der Sprecher Rubin eine Antwort schuldig. Nachdem der US-Kongreß anfänglich selbst die geringe Beteiligung von 22 Millionen US- Dollar sperrte, weil die Erfolgsaussichten des Projekts zu gering seien, forderte die US-Regierung bei der Europäischen Union finanzielle Hilfe ein. Prompt stellte die EU mehrere Beträge im Gesamtvolumen von 75 Millionen Ecu (rund 150 Millionen Mark) in Aussicht. Dagegen verwehrten sich anfänglich sogar die südkoreanischen Kedo-Vertreter. Sie befürchteten, daß die Lieferungen für den Kedo- Vertrag dann zu ihren Ungunsten neu verhandelt werden müßten. Nachdem jedoch für die EU-Industrie keine substantiellen Zugeständnisse aufgenommen wurden, akzeptierte auch Süd-Korea eine EU-Mitgliedschaft im Kedo-Vorstand. Über die EU-Beteiligung muß das Europaparlament noch abstimmen.