Bosniens Serben endgültig gespalten

■ Für die Karadžić-Anhänger in Pale sind die Beschlüsse von Präsidentin Plavšić in Banja Luka illegal. Der Riß vertieft sich

Wien (taz) – „Ab heute betrachten wir alle zukünftigen Beschlüsse und Aktivitäten der Präsidentin Biljana Plavšić als illegal und nicht verpflichtend“, verkündete am Wochenende die Regierung der Republik Srpska (RS) in Pale und besiegelte damit auch formal den Bruch zwischen den bosnischen Serben. Sollten die „paramilitärischen“ Formationen der Präsidentin weiter provozieren, könnten „Barrikaden errichtet und Banja Luka isoliert“ werden, warnte Momcilo Krajisnik, die rechte Hand des vom UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verfolgten Radovan Karadžić und Vertreter der bosnischen Serben im Präsidium von Bosnien-Herzegowina.

Die Regierung in Pale gab darüber hinaus bekannt, daß sie die Ernennung eines neuen Innenministers durch Plavšić nicht anerkenne. Dies verletze die Verfassung der Republik Srpska. Die Präsidentin hatte am Freitag Marko Pavić zum neuen Innenminister und damit zum Nachfolger von Dragan Kijac ernannt, den sie im Machtkampf mit den Karadžić- Anhängern entlassen hatte. Zudem hatte sie bereits im Juli das Parlament für aufgelöst erklärt und für den Herbst Neuwahlen angesetzt. Diese Entscheidung hatte das Verfassungsgericht jedoch verworfen.

Im Machtkampf zwischen der Präsidentin in Banja Luka und dem von Radovan Karadžić kontrollierten Parlament der RS in Pale sind mittlerweile sowohl die politische Macht und das Rechtswesen als auch das Heer und die Polizei gespalten. Zwar erklärte der Generalstabschef der bosnischen Serben, Pero Colić, drohend, die Streitkräfte würden nicht mehr die „Destabilisierung und Zerstörung“ des serbischen Staates in Bosnien seitens der Präsidentin dulden und mit „allen Mitteln die Integrität und Souveränität der Verfassungsordnung beschützen“. Gleichzeitig traf sich jedoch General Momir Talić, der einflußreiche Kommandant der stärksten Einheit der bosnischen Serben, die in Banja Luka stationiert ist, mit Plavšić und distanzierte sich von der Ankündigung seines Generalstabschefs.

Auch den Kampf um das mächtige Staatsfernsehen hat die politische Führung der bosnischen Serben in Pale verloren. Mit Gewalt und Unterstützung der internationalen Schutztruppe SFOR nahm die der Präsidentin treue Polizei das lokale Fernsehstudio in Banja Luka ein. Bei einem Besuch des Senders forderte Plavšić die Journalisten auf, die SFOR nicht mehr anzugreifen, und sie selbst nicht weiter als Kollborateurin zu diffamieren.

Nur in der Region um Pale kann man noch die auf Blut-und-Boden- Argumenten basierte Gehirnwäscherei über das „Serbentum“, „nationalen Verrat“ und „Weltverschwörung“ empfangen, die das Fernsehstudio in der Straße der „Serbischen Kämpfer“ sendet. Die serbische Bevölkerung wird gegen die internationalen Soldaten aufgehetzt, die SFOR-Truppen werden als Okkupationsmacht dargestellt und als „SS-FOR“ mit den Nazis verglichen.

Immer öfter läßt die SFOR in Pale jetzt Panzer auffahren, Hubschrauber und Düsenjäger aufsteigen, demonstriert so ein wenig ihre militärische Stärke und zieht sich wieder zurück. Wenn sie es wollten, könnten Nato-Truppen Radovan Karadžić jederzeit festnehmen. Die US-Regierung steuert derzeit jedoch planmäßig auf eine Spaltung der Republik Srpska zu, deren beiden Teile um Pale und Banja Luka nur durch einen Korridor miteinander verbunden sind. Je länger der Machtkampf in der Republik Srpska dauert, desto schwächer werden die geteilten bosnischen Serben, die so die Implementierung des Abkommens von Dayton nicht mehr ernsthaft werden bedrohen können.

Würde die SFOR dagegen jetzt Radovan Karadžić festnehmen, nach Den Haag bringen und Plavšić den Sieg auf dem Silbertablett servieren, hätten die USA eine starke Präsidentin gegen sich, die sich ideologisch, in den großserbischen Fragen, kaum von Karadžić unterscheidet und einen selbständigen serbischen Staat in Bosnien anstrebt. Indem die internationale Gemeinschaft Plavšić nur allmählich zum Sieg verhilft, hofft sie, die Präsidentin auch in Zukunft in der Hand zu haben. Dies setzt jedoch voraus, daß der Machtkampf unter den bosnischen Serben nicht außer Kontrolle gerät und der Krieg wieder aufflammt. Andrej Ivanji