Kiffer fordern Polizei heraus

■ Selbstanzeigen wegen Cannabis-Besitzes in sechs Bundesländern. Ministerin Nolte gegen Zeitschrift „Hanf“

Berlin (taz) – Es gibt Arbeit für Staatsanwälte und Polizei: In einer konzertierten Aktion wollen sich am heutigen Montag in sechs Bundesländern mindestens 13 Personen wegen Besitzes von Cannabis selbst anzeigen. Die Kampagne soll die Diskussion neu entfachen und auf „den Unsinn der gegenwärtigen Rechtsprechung“ hinweisen, sagte Mitinitiator Georg Wurth, der Remscheider Kreisvorsitzende der Bündnisgrünen.

Die Aktion soll auch die unterschiedliche Rechtsprechung in den Bundesländern aufzeigen. Der Besitz einer „geringen Menge“, der in der Regel zur Einstellung des Verfahrens führt, wird höchst unterschiedlich interpretiert: 30 Gramm können in Schleswig-Holstein noch Straffreiheit bedeuten, in Bayern schon Gefängnis.

Am Montag wollen alle 13 Personen mit ihrem Haschisch oder Marihuana zur Polizei gehen oder die Ordnungskräfte in einem Brief von ihrem Schatz in Kenntnis setzen. Die Polizei ist verpflichtet, gegen die Drogenbesitzer vorzugehen, auch wenn sie nur winzige Mengen haben. Die Reaktionen auf das Happening – die „ganze sinnlose Arbeit der Polizei, die sich mit wichtigeren Dingen beschäftigen sollte“ (Wurth) – soll ausführlich dokumentiert werden.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte schon Anfang Juli erklärt, daß der Besitz von Cannabis in geringen Mengen strafbar sei, wenn er der Selbstanzeige diene. Gezielte Rechtsverletzungen seien „kein zulässiges Mittel“ des Meinungskampfes. Mit dem Cannabisbesitz würden die Selbstanzeiger „zur Nachahmung auffordern“.

Welch absurde Blüten die Cannabisverfolgung treibt, hat zuletzt ein „Indizierungsantrag“ von Frauen- und Jugendministerin Claudia Nolte (CDU) deutlich gemacht. Die Ministerin hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften auf die Spur der bundesweit vertriebenen Zeitschrift Hanf gesetzt. Moniert werden die Seiten 44 und 45 der Septemberausgabe 1996. Abgedruckt wurde die „Heidelberger Deklaration“, in der Wissenschaftler und Hanffreunde „Frieden im Drogenkrieg“ verlangten. Nolte störte sich neben der „Verherrlichung und Verharmlosung der Drogenwirkungen“ an der Forderung nach einer Legalisierung. Sie schreibt: „Die ausdrücklich geforderte Legalisierung weicher Drogen steht im Widerspruch zu den strafbewehrten Verboten des Betäubungsmittelgesetzes.“

Am 2. Oktober wird die Bundesprüfstelle über den Nolte-Antrag entscheiden. Sollte sich die Rechtsauffassung der Ministerin durchsetzen, darf die Zeitschrift als jugendgefährdende Schrift wohl nur noch unterm Ladentisch verkauft werden. Manfred Kriener