Berlin hanft mächtig los

In der Hauptstadt demonstrierten Tausende von Hanffans für eine Legalisierung der weichen Droge  ■ Aus Berlin Detlef Kuhlbrodt

Bunte Raver tanzen lächelnd neben und auf LKWs, naturwüchsig aussehende Althippies mit vielen Haaren und imposanten Rauchgeräten sitzen auf dem Boden, ein Jamaikaner singt fröhliche Haschlieder, leicht bekleidet wippen hübsche Mädchen und verkaufen Cannabis-Käppis. Auf ihrem Transparent fordert der „Bund unabhängiger Hanfrebellen“ (BUH): „Sag' BUH zum Hanfverbot“. Relaxt fährt Christian Ströbele, ehemals Vorstandsmitglied der Bündnisgrünen, auf einem schicken Fahrrad neben Parteigenossen, die auffallend ähnliche Fahrräder benutzen. Auch der ehemalige St.- Pauli-Keeper Volker Ippig ist mit dabei.

Wie viele bei der Berliner Hanfparade am Samstagnachmittag vom Ernst-Reuter-Platz bis zum Brandenburger Tor „mit Hanf in die Zukunft gehen“ wollten und für die Legalisierung der sympathischen Rausch- und Nutzpflanze demonstrierten, war wie gewöhnlich nicht so klar: Das ZDF sprach von 7.500 Haschbrüdern, andere von 50.000.

Aufgerufen hatten diverse Hanforganisationen, Drogenarbeitsgruppen, der PDS-Bundesvorstand, Grüne, Jusos, Junge Liberale und auch der Kreuzberger Bezirksbürgermeister Franz Schulz. Ein bunt generationsübergreifendes Publikum war gekommen – die Hanfparade präsentierte sich als eher ländliche, agrar- und bewußtseinspolitisch protestierende Tochter der Love Parade.

Es gab: viele Kinder, Tausende von Broschüren, mit denen man sich bewarf, Tausende von Waren der mittelständischen hanf- und haschrauchbegleitenden Industrie, ein Zelt, in dem die vielfältigen Nutzmöglichkeiten von Cannabis vorgestellt wurden. Während fröhlich konsumiert und gefeiert wurde, eröffnete die haschfreie Politprominenz, unter ihr Bundespräsident Roman Herzog, das Grandhotel Adlon – 100 Meter vom Brandenburger Tor und von den dumpf-dröhnenden Bässen der Abschlußkundgebung entfernt.

Manchmal war es wie bei den früheren Love Paraden: überall klasse Techno, prima Tanzen; nette Gesichter lächelten einen an, bis man dann selber ins Dauergrinsen geriet. „Sehr schön“, sagte einer mit Hanfblättern im Haar; „Geil, cool, witzig, und das fetzt ja“, meinte Judith (20), die nicht mehr täglich kifft, weil das „uncool“ ist. Ein weißhaariger Tourist um die fünfzig fand die Parade „skurril“, wollte aber nicht über Dinge urteilen, von denen er nichts verstünde. „Es gibt ja Leute, die sind dafür, und andere sind dagegen.“ Früher hätte er auch einmal gekifft. Da sei ihm sehr schwindlig geworden. Deshalb: „Nie wieder“.

Vier bis fünf Millionen rauchen hierzulande Hasch. Kiffer gibt es mittlerweile in allen Institutionen und Parteien, in Gerichten sowieso, aber auch im Finanzamt. Auf Verständnis stößt der stetig wachsende Konsum mittlerweile sogar in der CDU. Angesprochen auf die technoiden Drogenexzesse, meinte ein Berliner CDU-Politiker kürzlich bei der Love Parade: „Nun hören Sie doch auf. Wir haben doch auch damals mit Captagon die Nächte durchgetanzt.“ Natürlich sagte er dies nicht öffentlich, denn soweit wagen sich christdemokratische Drogenfreunde noch nicht vor. Mutig dagegen war am Samstag ein PDS-Mann, der bei der Abschlußkundgebung freimütig bekannte, er würde gern kiffen. Vermutlich kiffen viele, weil „bekifft sein“ so lustig beschwingt und sympathisch klingt und gar nicht haschdeppenmäßig lethargisch.

Einerseits lächelte die Polizei am Samstag zuweilen charmant, andererseits streiften Polizeigreiftrupps in Zehnergruppen durch den Tiergarten auf der Suche nach Dealern, auf deren Seite man konsequenterweise auch als Feierabendkiffer zu stehen hat. Ein junger, mürrischer Polizist wollte kein Freund von Traurigkeit sein und sagte, er müsse ja leider „privat und öffentlich trennen“. Wer erwachsen sei, müsse wissen, „was er tut“. Nur gegen die „Kanacken“, die auf Schulhöfen dealen würden, würde er vorgehen.

Irgendwann hatte die Polizei einen Kiffer gefangen und wollte ihn abtransportieren, weil er seine Papiere nicht dabeihatte. Fünfhundert Leute umringten die Wanne, eine Sitzblockade verstellte den Weg, und alle riefen im lustigen Chor: „Eins, zwei, drei – laßt den Kiffer frei!“ Was dann, nach einiger Zeit, auch geschah.