Neue Sitten für Castor

■ Gestern ging der 20. Castor aus Brokdorf auf die Schiene. Änderungen bei Atom-Transporten aus Angst vor Protesten

Zum zwanzigsten Mal wurden gestern abgebrannte Brennstäbe aus dem Atomkraftwerk Brokdorf in die Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield transportiert. Ein zweiter Transport aus dem Atommeiler Krümmel, der von Anti-AKW-Initiativen für gestern erwartet worden war, war überraschend auf Samstag vorgezogen worden (tazhamburg berichtete gestern). Atomkraftgegner werteten dies gestern als Anzeichen dafür, daß die AKW-Betreiber aus Angst vor Blockaden die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen.

Bislang verließen Castor-Transporte die vier Atommeiler rings um Hamburg aus logistischen Gründen grundsätzlich montags oder dienstags. Auch weitere Abläufe waren fest eingespielt. In den vergangenen Wochen aber beobachteten mehrere Initiativen Variationen des gewohnten Rituals – sei es, daß die Transporte Stunden später als sonst üblich auf die Strecke gehen, sei es, daß Hubschrauber die Transporte über weite Strecken hinweg begleiteten oder auch, daß leere Behälter nicht mehr tagelang gut sichtbar auf den AKW-Geländen im Freien standen.

Die Betreiber der vier AKWs – die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) und die Preussen-Elektra (Hannover) – wollen mit diesen veränderten Abläufen kostentreibende Proteste gegen die Atom-Transporte umgehen, schätzt der Hamburger GAL-Energiereferent Dirk Seifert. „Die Taktik der Atomkraftgegner scheint aufzugehen“, vermutet Seifert.

Denn verschiedene Gruppen haben es sich zum Ziel gesetzt, durch ihre Proteste die Transporte so weit wie möglich zu verteuern, um die Atomenergie für die AKW-Betreiber schon aus wirtschaftlichen Gründen unattraktiv zu machen. Seifert bereitet derzeit eine Anfrage an den Senat vor, um die Kosten der Transporte und ihrer Begleitung durch die Polizei zu erfahren.

HEW-Sprecher Johannes Altmeppen wies die Vermutung zurück, das Unternehmen habe aus Angst vor den – angekündigten – Protesten den Transport auf das Wochenende vorverlegt. „Wir haben keine Veranlassung, unsere Transporte nach dem Terminkalender der Kernkraftgegner auszurichten“, so Altmeppen.

Rund vierzig Demonstranten versuchten gestern, den Castor aus Brokdorf an zwei Stellen aufzuhalten. Die Blockaden wurden von der Polizei aufgelöst. Mehrere Demonstranten wurden zur Feststellung ihrer Personalien festgehalten. Mit dem gestrigen Transport ist das gebuchte Kontingent der PreussenElektra in der WAA Sellafield ausgeschöpft.

Achim Fischer