Der Richter und seine Henker

■ Roland Schill, Hamburgs gnadenloser Richter, sorgt für Hauskrach in der Justiz

Hauskrach in Hamburgs Richterzunft: Amtsrichter Roland Schill, bekannt für seine außergewöhnlich scharfen Urteile, hat zum Rundumschlag ausgeholt: „Hamburg hat ein Herz für Verbrecher“, posaunte er gestern in der Hamburger Morgenpost. Die vermeintlichen Liebhaber von Mord und Totschlag reagierten prompt: "Beleidigend und völlig substanzlos“, konterte der stellvertretende Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins, Johann Meyer. Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem knapp: „Bei einem solchen pauschalen Rundumschlag erübrigen sich weitere Kommentare.“

Auch die Staatsanwaltschaft wies die Kritik zurück. „Die Vorwürfe sind unberechtigt und falsch“, so Sprecher Rüdiger Bagger. Schill hatte gewettert, die Ermittlungsbehörde sei zu einem „zahnlosen Papiertiger“geworden. Und den RechtsprecherInnen warf er vor, die in Hamburg ausgesprochenen Strafen stellten „eine himmelschreiende Ungerechtigkeit“gegenüber dem Leid der Opfer dar. So sei in der Bevölkerung in den vergangenen 20 Jahren der Eindruck entstanden, daß es für einen Mord keine hohe Freiheitsstrafe mehr gäbe. Die Opfer würden verhöhnt, und die Rechtsprechung werde oftmals von „lebensfremder Bewertung“geleitet.

Welche Konsequenzen Schills Vorpreschen für ihn haben wird, steht noch in den Sternen. Die Mopo hatte gestern in Umlauf gebracht, der Hamburgische Richterverein wolle Schill per psychiatrischem Gutachten für unzurechnungsfähig erklären und vom Amt entheben lassen. Als „völlig aus der Luft gegriffen“tat Meyer diese Unterstellung ab. Und der Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereines, Heiko Raab, ergänzte: „Wir wären schon dankbar, wenn er zukünftig seine Anliegen in sachlicher Form vortragen würde.“

Über die Verwendung von RichterInnen kann allein das Präsidium des Amtsgerichtes entscheiden. Dort werden zur Zeit disziplinarrechtliche Schritte gegen Schill geprüft. Laut Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem könnte der forsche Amtsrichter nämlich das „richterliche Mäßigungsgebot“verletzt haben, was zumindest eine Ermahnung nach sich ziehen könnte. Denkbar wäre auch, daß ein von Schill namentlich erwähnter ehemaliger Schwurrichter oder auch die Staatsanwaltschaft Strafantrag stellen.

Schon länger ist Schill in Hamburger Justizkreisen als „Richter Gnadenlos“bekannt. Vergangenen Herbst verurteilte er eine Frau, die den Lack auf Autos angekratzt hatte, zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Vergangene Woche erst ließ er einen kranken Rentner im Gerichtssaal wegen „Fluchtgefahr“verhaften. Elke Spanner