Wo liegt denn bitte Ost-Timor?

■ Boyzone will in Indonesien auftreten, und ein osttimoresischer Bürgerrechtler versucht sie davon abzubringen. Vergeblich, die Jungs bohren lieber in der Nase

Ungewöhnliche Begegnung: Die irische Popgruppe Boyzone hat sich am Wochenende mit zwei Vertretern der Widerstandsbewegung Ost-Timors getroffen. Das Treffen kam zustande, nachdem die Pläne der Boygroup für drei Konzerte in Indonesien in ihrer irischen Heimat Proteste ausgelöst hatten. Menschenrechtsorganisationen und Fans haben die unter besonders weiblichen Teenagern beliebte Band aufgefordert, ihre drei in Indonesien geplanten Konzerte abzusagen. Nach Meinung irischer Ost-Timor-Solidaritätsgruppen sollte das südostasiatische Land boykottiert werden, solange indonesische Truppen die frühere portugiesische Kolonie besetzt halten.

Während die fünf Jungs von Boyzone – Stephen, Shane, Mikey, Ronan und Keith – in den vergangenen zwei Wochen auf Promo- Tour in Deutschland waren, wuchs in Irland der Druck auf die Band. Studentengruppen diskutierten bereits einen Boykott der Musiker. Deren Management sah sich zum Handeln gezwungen: Die Gruppe war deshalb zu einem Treffen mit einem Vertreter des osttimoresischen Widerstands bereit, bevor sie gestern von Berlin aus nach Asien starten wollte.

Bei dem Treffen im Esplanade versuchte der 25jährige Luciano Conceicao die Musiker über die Situation in Ost-Timor aufzuklären. Mit seinen langen Zöpfen und dem bunten Batik-T-Shirt sieht Conceicao selbst wie ein Reggae-Musiker aus, doch zwischen ihm und den mit Wetgel gestylten irischen Boys liegen Welten: „Wir haben überhaupt keine Ahnung von der Situation“, sagt der 25jährige Mikey gleich zu Beginn. „Wir sind Musiker, keine Politiker.“ Conceicao hat Verständnis, doch verweist er darauf, daß auch andere Popmusiker wie U2 oder Bono sich für die Selbstbestimmung Ost-Timors einsetzen. U2 habe erklärt, nicht in Indonesien aufzutreten, solange Ost-Timor besetzt sei.

Der 21jährige Shane, der eine fünf Nummern zu großen Hose und ein großes goldenes Kreuz vor der Brust trägt, bohrt gelangweilt in der Nase, als Conceicao vom Tod seiner Eltern erzählt und wie er selbst 1994 ins Exil gehen mußte. An seinem Studienort Jakarta flüchtete er zusammen mit 28 anderen Osttimoresen während des Asien-Pazifik-Gipfels mit Präsident Bill Clinton in die US- Botschaft. Inzwischen hat Conceicao in Irland Asyl gefunden und ist dankbar für die Solidarität der Iren. Als er Namen irischer Politiker nennt, die sich für Ost-Timor einsetzen, sehen ihn die Musiker an, als hätten sie die Namen noch nie gehört. „Von uns geht niemand wählen“, so der 21jährige Stephen. „Wir wollen den Leuten etwas Glück bringen. Politik und Religion sind für uns zu gefährlich.“

Conceicao sagt, seine Eltern, die von Indonesiens Truppen getötet wurden, seien auch unpolitisch gewesen. Die Jungs der Band sind erstaunt, als sie erfahren, daß bisher über 200.000 Menschen der indonesischen Besetzung zum Opfer fielen. „Welche Sprache spricht man eigentlich in Ost-Timor?“ will Mikey wissen. Doch hierauf gibt es keine einfache Antwort. „Wir haben 32 Dialekte“, so Conceicao. Als die Boyzone-Manager nach 20 Minuten das Gespräch für beendet erklären, vergewissert sich Mikey noch einmal: „Also Ost-Timor ist von Indonesien besetzt, aber die UNO sagt, es ist noch portugiesisch?“

Beim abschließenden Fototermin, bei dem sie das Modell einer osttimoresischen Hütte und ein Buch der Friedensnobelpreisträger Bischof Belo und José Ramos- Horta überreicht bekommen, sind die fünf Jungs von Boyzone wieder in ihrem Element. Gestellte Bilder sind für sie kein Problem. Die Band will an ihren Konzerten in Indonesien festhalten, die Verträge seien unterschrieben. Conceicao findet das Treffen mit Boyzone trotzdem positiv. Er setzt auf längerfristige Kontakte. Beim Rausgehen hat Keith zu ihm gesagt: „Wenn wir wieder in Irland sind, können wir ja mal ein Bier trinken gehen.“ Sven Hansen