Mord an Stiefvater aus Habgier

■ Prozeß gegen vier Jugendliche wegen Mord an einem Richter fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Die Stieftochter soll die Idee gehabt haben

Wer die vier Angeklagten sind, die geplant haben sollen, im Januar dieses Jahres den 52jährigen Verwaltungsrichter Volker Seipp im Schlaf umzubringen, bleibt im dunkeln. Der Prozeß gegen die 17jährige Adoptivtochter, ihren 16jährigen Freund und ein befreundetes Teenagerpaar wegen Mord aus Habgier und Heimtücke vor dem Landgericht fand gestern unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Laut Verteidigung wurde nur die Anklageschrift verlesen.

Was die Jugendlichen den Ermittlern erzählten, gleicht einem Horrorszenario. Die 17jährige Marianne S., die nach der Scheidung der Adoptiveltern als 12jährige zu ihrem Adoptivvater gezogen war – sie wurde angeblich von ihrer Adoptivmutter geschlagen –, soll den Mord schon länger geplant haben. Als mögliches Motiv gilt ein „Bruch“ in der Vater-Tochter- Beziehung. Als Marianne S. mit 14 Jahren schwanger war und im sechsten Monat über Wehen klagte, erwies sich der Richter als überfordert und meldete dem Notdienst eine Fehlgeburt. Weil die Helfer darauf nicht vorbereitet waren, starb das Baby. Marianne S. soll erzählt haben, daß ihr Vater der „Mörder“ ihres Babys sei. Auch als sie wenige Monate später von einem Exfreund mit vorgehaltener Waffe vergewaltigt wurde, konnte ihr der Adoptivvater nicht helfen. Er machte gerade Urlaub.

Am Vormittag des 17. Januar soll die 16jährige gemeinsam mit ihrem Freund, dem polizeibekannten Schläger Dennis Sch., und einem befreundeten Teenagerpaar den Plan gefaßt haben, den Richter am Abend im Schlaf zu töten. Das entscheidende Motiv nach Ansicht der Staatsanwaltschaft: So würde Marianne S. die Eigentumswohnung in Reinickendorf erben, und die vier hätten eine mietfreie Bleibe. Dennis Sch. und das mit angeklagte Teenagerpärchen samt Baby lebten bereits in einer nur 59 Quadratmeter großen Wohnung – gegen den Willen des Richters, eines konfliktscheuen Juristen mit angeblichen Alkoholproblemen.

Am Abend des 17. Juni, so der Plan, sollte Dennis Sch. den Richter mit einem Schlagstock töten. Laut Anklage soll er den Schlafenden mehrfach mit voller Wucht auf den Kopf geschlagen haben. Weil das Opfer noch röchelte, soll er ihn mit einem Elektrokabel gedrosselt haben; weil das Kabel aber durch seine blutigen Hände rutschte, soll er ihn mit einem Tragriemen gewürgt haben. Dann sollen die Jugendlichen den toten Richter in dessen Wagen zum nahe gelegenen Hermsdorfer See gebracht, die Leiche mit Benzin übergossen und das Auto auf dem zugefrorenen See abgestellt haben. Vermutlich flohen sie, weil sie entdeckt wurden. Der Prozeß wird morgen fortgesetzt. Barbara Bollwahn