Keine Hilfe wegen Überlastung

■ Über drei Wochen sitzt die Deutsche Güllü Selcuk bereits in einem Gefängnis in Istanbul. Obwohl Vorwürfe über Mißhandlungen vorliegen, blieb das deutsche Konsulat bisher weitgehend untätig

Inzwischen sind über drei Wochen vergangen, und noch immer verhalten sich die deutschen Behörden mehr als zögerlich: Seit Ende Juli sitzt die Berlinerin Güllü Selcuk in Instanbul im Gefängnis, nachdem sie im Anschluß an eine Türkeireise mit ihren 13- und 15jährigen Töchtern am Flughafen festgenommen wurde (taz berichtete). Güllü Selcuk hat seit 24 Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit und gehört einem Komitee zur Unterstützung der „Samstag-Mütter“ an. Diese Gruppe von Müttern und Ehefrauen demonstriert in Istanbul jede Woche gegen das „Verschwindenlassen“ von Oppositionellen. Güllü Selcuk hatte bei ihrer Verhaftung Fotos bei sich, die sie für eine Ausstellung über die Samstag-Mütter in Berlin verwenden wollte.

Die inzwischen freigelassene 15jährige Tochter sagte gegenüber der taz, daß ihre Mutter bei dem Verhör in Istanbul mißhandelt worden sei. Sie sei „grün und blau“ im Gesicht gewesen und habe kaum laufen können. Zudem habe die Mutter ihr gesagt, sie sei mit Fäusten geschlagen und getreten worden. Diese Vorwürfe wurden dem deutschen Generalkonsulat in Istanbul auch mitgeteilt: „Am 1. August habe ich mit einem Vertreter des deutschen Konsulats gesprochen und ihn über die Vorwürfe der Mißhandlung informiert“, berichtet Gyasettin Sayan, migrantenpolitischer Sprecher der PDS im Abgeordnetenhaus. Trotzdem hat noch immer niemand vom Generalkonsulat Güllü Selcuk besucht, um sich über die Haftbedingungen der Gefangenen zu informieren. Bisher habe sich die Gelegenheit für einen Besuch bei Güllü Selcuk noch nicht geboten, das Konsulat sei momentan „überlastet“, so ein Sprecher. „Es ist aber ein Termin für einen Besuch noch in dieser Woche geplant.“ Persönlich habe man sich also noch nicht von den Vorwürfen überzeugen können. Konsulatsvertreter hätten sich aber mit Güllü Selcuks Rechtsanwalt unterhalten, der jedoch laut Konsulat die Berichte von Mißhandlungen nicht habe bestätigen können.

Richtlinien, die ein bestimmtes Vorgehen des Konsulates bei Mißhandlungsvorwürfen vorschreiben, gibt es grundsätzlich nicht. Allerdings steht fest: „Das deutsche Generalkonsulat ist verpflichtet, für die Sicherheit der deutschen Staatsbürger zu sorgen“, erklärt Ismael Kosan, ausländerpolitischer Sprecher der Grünen. Demnach sei der erste Schritt, daß ein Vertreter die Gefangene aufsuche und persönlich mit ihr Kontakt aufnehme. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müßten Erkundigungen bei den Sicherheitsbehörden eingezogen und müsse eine ordnungsgemäße Behandlung angemahnt werden, so Kosan. Nichts davon sei jedoch bis jetzt geschehen. Nur der Verhandlungstermin steht inzwischen fest: Am 6. Oktober wird der Fall Selcuk in Istanbul vor Gericht verhandelt. Offizielle Anklage: Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung. Corinna Budras