Metropolitanes Spiel städtischer Funktionen

■ taz Architektur Sommer: HamburgerInnen beschreiben ihr meistgeliebtes oder meistgehaßtes Gebäude. Teil V: Thomas Mirow über die Kampnagel-Randbebauung

Weder will ich mich an dieser Stelle einem „Lieblingshaus“noch dem von mir „meistverabscheuten Gebäude“zuwenden (beides ließe sich finden), sondern einem Projekt, einem Lieblingsprojekt, wenn man so will. Ich meine Kampnagel.

Wer heute über das Gelände, durch die alten Fabrik-Hallen läuft, kann noch immer spüren, welcher Reiz von der Span-nung zwischen dem ehemaligen Industriestandort und der heutigen Kulturstätte ausgeht. Er bemerkt aber auch den zunehmenden Verfall, der diese produktive Spannung zu zerstören droht.

Die in Kürze beginnende Randbebauung (und die gleichzeitige Sanierung der Hallen) wird den Verfall beenden und die städtebauliche wie inhaltliche Spannung neu beleben. Die damit einhergehende Ansiedlung kreativer Medienunternehmen wird dieser Spannung ein weiteres Element hinzuwachsen lassen. Die neuen Nachbarn könnten gemeinsam einen Ort schaffen, der einen ganz eigenen, großstädtischen Charakter trägt. An dem Arbeit, Kultur und Wohnen sich nicht nur räumlich nahe sind, sondern sich gegenseitig durchdringen und bereichern. Und an dem aus dem Zusammenspiel verschiedener städtischer Funktionen etwas Neues erwächst, das mehr ist als die Summe seiner Teile.

Stadträume von eigener Identität lassen sich nicht auf dem Reißbrett entwerfen. Aber wo sich die Gelegenheit bietet, solche Katalysatoren für Innovation und Lebendigkeit in der Stadt zu befördern, sollte man sie nutzen. Kampnagel verspricht – auch dank der einfühlsamen, den Geist des Ortes zugleich aufnehmenden und weiterentwickelnden Architektur von Otto Steidle – ein solcher besonderer Ort zu werden. Und nicht zuletzt weist die Lösung, einen Teil der Grundstücks-Einnahmen dem Theater zugute kommen zu lassen, einen Weg, wie auch in Zeiten der Haushaltskrise Kultur wirksam gefördert werden kann. Weitgehend erscheint das „Projekt Kampnagel“gesichert. Die damit verbundenen Erwartungen müssen sich erst noch erfüllen. Ich hoffe darauf. Es täte unserer Stadt gut.

Dr. Thomas Mirow ist Senator für Stadtentwicklung