„Krise des Vertrauens“

■ Justizsenator Hoffmann-Riem: Behörde darf den Richtern nicht reinregieren

„Hamburg hat ein Herz für Verbrecher“, kritisierte „Richter Gnadenlos“Ronald Schill am Montag. Bei einem solch pauschalen Rundumschlag, erwiderte Hamburgs Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos), erübrige sich jeder Kommentar. In einem Gespräch mit der taz äußerte er sich dennoch genauer.

taz: Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig hat die Kritik des Hamburger Richters Roland Schill begrüßt. In einer demokratischen Justiz müsse das erlaubt sein. Sie hingegen deuteten an, Schill könne das „richterliche Mäßigungsgebot“verletzt haben.

Wolfgang Hoffmann-Riem: Herr Schmidt-Jortzig hat insoweit recht, als er sagt, daß Richter sich Kritik stellen müssen. Wir brauchen eine Diskussion über die Entscheidungspraxis. Statt gleich an die Öffentlichkeit hätte sich Herr Schill aber an den Amtsgerichtspräsidenten oder die Justizbehörde wenden müssen. Vor allem hätte er seine Kritik zurückhaltender äußern sollen.

Es scheint ein öffentliches Interesse an der Diskussion zu geben.

Auch ich sehe eine Krise des Vertrauens in die Justiz. Darüber führe ich regelmäßig Gespräche mit Richtern, Staatsanwälten und Veteidigern. Solche Gespräche dürfen aber nicht den Charakter einer Sanktion haben. Ich nehme die richterliche Unabhängigkeit ernst. Letztendlich bin ich für einen Bereich verantwortlich, in den ich nicht reinregieren kann und will.

Laut Herrn Schill sollten Sie die Staatsanwaltschaft anhalten, gegen milde Urteile vorzugehen.

Bundesweit geht man mit dem Weisungsrecht vorsichtig um. In Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft hat die Justizbehörde schon des öfteren angeregt, Rechtsmittel einzulegen.

Haben Hamburgs Richter „ein Herz für Verbrecher“?

Nein. Hamburger Richter sind im Schnitt nicht milder als anderswo. Im Bundesvergleich hat Hamburg die größte Gefängnisdichte. Auf 100.000 Einwohner kommen 169 Gefangene. Unsere 3000 Haftplätze sind durchweg belegt. Wir sind Deutscher Meister in Gefängnisplätzen, obwohl sogar in Frankfurt und Berlin die Kriminalitätsrate höher ist.

Nach den Wahlen sind Sie unter Umständen nicht mehr Justizsenator. Wird man Ihre Amtszeit im nachhinein mit diesem Skandal in Verbindung bringen?

Die Vorwürfe von Herrn Schill sind weitgehend unberechtigt. Wo ist da der Skandal? Im übrigen bin ich als Justizsenator weitgehend unbeteiligt. Fragen: Elke Spanner