„Wir haben ein Speckpolster“

■ Interview mit Manager Willi Lemke zu den Vereins-Finanzen und der Werder-Aktie

Bei Werder Bremen läuft die Suche nach einem neuen Trainer nach wie vor auf Hochtouren. Konkrete Ergebnisse gibt es, nach Angaben von Werder-Manager Willi Lemke, aber noch nicht. Auch die Verpflichtung eines neuen Stürmers steht noch immer auf der Tagesordnung. Vor allem letztere Verstärkung wird den Verein Millionen kosten. Die taz sprach mit Manager Lemke über die Finanzen des Clubs sowie über Zukunfts-Konzepte, wie der SV Werder Bremen finanziell und damit auch sportlich wieder ins europäische Oberhaus im Fußball zurückkehren kann.

taz: Herr Lemke, wie sehen die aktuellen Finanzen des SV Werder Bremen aus? Womit wollen Sie einen Trainer freikaufen oder einen Stürmer bezahlen?

Willi Lemke, Manager SV Werder Bremen: Unsere Finanzen sehen gut aus. Da wir immer ein Jahr im voraus planen, kann ich Ihnen auch sagen, wie unsere Finanzen am 1. September 1998 aussehen...

...nämlich?

Das sage ich Ihnen natürlich nicht wirklich. Die Zahlen sind vertraulich. Ich kann Ihnen aber sagen, daß die wirtschaftlich guten Jahre, die hinter uns liegen, gut genug waren, um das wirtschaftlich schlechte Jahr vor uns aufzufangen. Wir haben uns ein geringes Speckpolster angelegt.

Will man bei Werder Bremen das Speckpolster ausbauen, indem man an die Börse geht?

Wir sehen, daß andere Vereine mit Macht in diese Richtung streben. Wir befürchten, daß die Schere zwischen den armen und den reichen Clubs dadurch noch weiter auseinandergeht. Das ist schließlich jetzt schon keine Gleichheit mehr, wenn Sie sehen, was Borussia Dortmund und Bayern München umsetzen und im Gegensatz dazu Werder Bremen, Arminia Bielefeld oder der MSV Duisburg.

Wie sehen die Umsatzzahlen konkret aus?

Wo wir 45 Millionen Mark umsetzen, setzt Bayern München 145 Millionen Mark um. Da kann man nun wirklich nicht mehr von einem gleichen Ansatz sprechen. Früher war es so, wenn wir eine Mark für einen Spieler ausgeben konnten, dann hatten die Bayern zwei Mark zur Verfügung. Heute sind es schon vier Mark.

Aber Bremen braucht Geld für einen neuen Trainer und Stürmer. Nehmen wir also an, Bremen geht an die Börse. Wer soll denn dann Aktionär werden?

So eine Fußball-Aktie ist ein sehr phantasievolles Papier. Jeder der sich irgendwie mit dem Verein identifiziert, kommt als Aktionär in Betracht. Dann kann er nämlich sagen: Mir gehört der Laden mit. Ich kann entsprechend auch mitbestimmen indem ich zur Aktionärshauptversammlung gehe und dort mein Stimmrecht habe. Darüber hinaus wird es die Werder-Aktie als Souvenir-Artikel geben, die man sich eingerahmt übers Sofa hängen kann. Und dann gibt es sicherlich Leute die sagen, ich lege mir davon 10.000 Stück ins Depot, weil im Fußball der Boom bestimmt noch nicht abgeschlossen ist. Da kommen noch einige Sachen auf uns zu, die Fußball-Aktien interessant machen. Ich sage nur Pay-TV oder Pay-Per-View.

Schlägt sich das auch nieder auf Clubs, die im Keller stehen – so wie der SV Werder Bremen im Moment?

Sicherlich wäre heute angesichts der sportlichen Misere ein denkbar schlechter Einstiegstermin für uns. Wären wir schon an der Börse, wäre die Werder-Aktie jetzt ein hochinteressantes Papier, da es sportlich kaum noch schlechter kommen kann. Sie sehen, in einer Fußball-Aktie steckt viel Phantasie und wirtschaftliches Potential. So funktioniert es bei jedem anderen Unternehmen auch. Nur dürfen wir natürlich jetzt nicht an die Börse gehen, weil wir einen denkbar schlechten Kurs bekommen würden.

In England ist mit diesem Modell schon der ein oder andere Verein Pleite gegangen. Werder Bremen demnächst auch?

Nein! Erstens ist der Verein gesund. Und zweitens würden wir den Verein selbst, also den sportlichen Teil, völlig außen vor lassen. Wir schicken nicht einen Traditionsverein an die Börse, wo er auf Gedeih und Verderb einer AG unterworfen ist. Der Club soll unabhängig von der AG als gemeinnütziger Verein weiterleben.

Wird der Verein dann so etwas wie eine Tochter der AG?

Ich möchte dazu keine Details nennen. Schließlich wollen wir doch die anderen Vereine nicht schlau machen, wie Werder Bremen an die Börse geht. Ich kann Ihnen nur versichern, daß der Verein eigenständig weiterlebt. Nur die Rechte, die es zu vermarkten gibt, wie etwa die Lizenzen, die würden wir in die AG herüberbringen.

Stichwort Pay-TV – ist das für einzelne deutsche Fußballvereine zu realisieren?

Das ist die große Frage. In England ist es ein großer Erfolg. Aber die haben auch nur eine Handvoll Programme, während wir hier in Deutschland bis zu 30 Stationen empfangen können. Da ist nicht unbedingt der Bedarf nach weiteren Kanälen vorhanden. Ob da also die ganz großen Gewinne zu machen sind, das weiß ich nicht.

Das Bundeskartellamt will die einheitliche Vermarktung der Fernsehübetragungsrechte vom DFB knacken. Was heißt das für Werder Bremen?

Wir müssen uns gemeinsam mit allen anderen Bundesligavereinen zusammensetzen, um das Gleichgewicht der Kräfte zu stabilisieren. Sonst heißt das im Klartext, daß zum Beispiel Bayern München durch die Fernsehrechte 50 Millionen Mark mehr pro Saison bekommt. Diese 50 Millionen Mark fallen aber bei den anderen Vereinen weg. Werder Bremen würde im Moment nicht von einer solchen Entwicklung profitieren. Da wir uns sportlich aber wieder fangen werden, würden wir dann sicherlich zu den Gewinnern zählen. Nur, ob sich das positiv auf die Bundesliga auswirkt, wage ich schwer zu bezweifeln.

Fragen: Jens Tittmann