Der letzte Übergang

Südafrikas letzter weißer Präsident De Klerk, der einst die Apartheid abschaffte, verläßt die Politik  ■ Von Kordula Doerfler

Johannesburg (taz) – Es ist vermutlich die letzte Überraschung, die Frederik Willem De Klerk bereitet. Ohne Vorankündigung legte er gestern sein Amt als Parteivorsitzender der Nationalen Partei (NP) in Südafrika nieder und erklärte, sich gänzlich aus der Politik zurückziehen zu wollen. Zur Begründung sagte De Klerk, er wolle den Weg frei machen für einen Jüngeren, der die Partei in die nächsten Wahlen führen solle.

Ähnlich überraschend hatte De Klerk im Mai vergangenen Jahres die Koalitionsregierung mit Nelson Mandela verlassen, um die Nationale Partei, die einst die Apartheid aufbaute, als Oppositionspartei neu zu profilieren. Und noch viel überraschender hatte der letzte weiße Präsident Südafrikas am 2. Februar 1990 vor dem Parlament angekündigt, das Verbot der Befreiungsbewegungen aufzuheben und alle politischen Gefangenen freizulassen. Nur eine gute Woche später war Nelson Mandela aus der Haft frei, und der Wandel in Südafrika konnte beginnen.

Was De Klerk damals bewog, den Weg zur Demokratie frei zu machen, ist bis heute nicht ganz geklärt. Vielleicht helfen da die Memoiren weiter, die De Klerk jetzt zu schreiben gedenkt. Mit seinem Rücktritt ist jedenfalls eine Ära zu Ende. Das Kalkül der weißen Reformpolitiker, mit einer Teilung der Macht wenigstens einen Teil davon zu bewahren, ging nicht auf. Zwar bleibt De Klerk das Verdienst vorbehalten, maßgeblich am friedlichen Wandel ihn Südafrika beteiligt gewesen zu sein – dafür wurde ihm auch gemeinsam mit Mandela der Nobelpreis verliehen. Wie radikal dieser Wandel sein würde, hat De Klerk indessen nicht vorhersehen können – oder wollen. Seit dem Machtwechsel im Mai 1994 ist die Nationale Partei in einer tiefen Krise. Die alte Hegemonialstruktur, die über Jahrzehnte hinweg dem burischen Establishment seine Pfründe gesichert hatte, ist zusammengebrochen. Der Partei laufen die freiwilligen Helfer weg, denn im neuen Südafrika lockt keinerlei Belohnung mehr für politisches Engagement. Bis heute weiß die Parteizentrale in Pretoria nicht, wie viele zahlende Mitglieder sie hat.

Auch daß De Klerk das Amt eines Generalsekretärs einführte, um die Partei neu aufzubauen, zahlte sich am Ende nicht aus. Denn auch die politische Neuorientierung gelang nicht. Die wolkigen Reden von neuen Visionen konnten über das Vakuum kaum hinwegtäuschen. De Klerk blieb ein Mann des Übergangs. Zuletzt ist er an der unmöglichen Gratwanderung gescheitert, die Apartheid-Partei für Schwarze zu öffnen und zugleich die Interessen der burischen Minderheit zu wahren.

Als sein Kronprinz Roelf Meyer, der in den letzten Jahren der NP-Herrschaft für die Regierung die Verfassungsverhandlungen geführt hatte, im vergangenen Mai die Partei verließ, stand die NP kurz vor der Spaltung. De Klerk gingen Meyers Annäherungsversuche an nichtweiße Wähler zu weit, zumal er von seinen rechten Anhängern zunehmend unter Druck gesetzt wurde, auf die Wahrung der burischen Kultur und Sprache zu drängen.

Doch den Rechtsruck selbst verantworten mochte er auch nicht. Als aussichtsreichster Nachfolger De Klerks gilt nun Hernus Kriel, Ministerpräsident der Provinz Westkap um Kapstadt. Mit ihm wird sich die Partei auf ihre Ursprünge besinnen: eine politische Vertretung für die afrikaanssprachigen Weißen am Kap. Die Parteienlandschaft in Südafrika bleibt damit auf den ersten Blick statisch und überwiegend ethnisch geprägt. Für die NP ist die Chance einer Reform vertan.

Das steigert die Chancen des abtrünnigen Roelf Meyer, der eine neue Partei gründen möchte – über alle Rassenschranken hinweg. Offizieller Termin ist der 27. September. Verbündet hat sich Meyer dabei mit dem populären ehemaligen ANC-Minister Bantu Holomisa, der auch heute noch Tausende von unzufriedenen ANC-Anhängern mobilisieren kann.

Meyer selbst ist politisch so integer, daß ihm vor allem junge NP- Leute scharenweise gefolgt sind. Allerdings schmälern die beiden Politiker ihre Chancen dadurch, daß sie ausgerechnet den ehemaligen Homeland-Diktator Lucas Mangope mit offenen Armen empfangen. Doch in weniger als zwei Jahren wird in Südafrika wieder gewählt. Der Wahlkampf hat längst begonnen.