Innere Angelegenheiten

■ Die Pop-Poetin Anne Clark über Singen, Leben und ihr Remix-Album

Seit nunmehr 15 Jahren veröffentlicht Anne Clark Platten und hat doch keinen Ton selbst geschrieben. Die schüchterne Britin dirigiert die Musiker ihrer Band und setzt mit ihnen ihre eigenen Gedichte um, während ein Tänzer diese Mixtur optisch untermalt. Nach den Electro-Dancefloor-Klassikern „Sleeper in Metropolis“und „Our Darkness“wurde sie zur ersten großen Pop-Poetin. Heute dichtet sie hauptsächlich zu intimer, akustisch orientierter Musik. Für ihr neues Remix-Album Wordprocessing hat allerdings das Who-Is-Who der Dance-Szene, u.a. Hardfloor, Mouse on Mars und Sven Väth, das Werk der 37jährigen neu aufbereitet.

taz: Wieso werden jetzt auch Anne-Clark-Songs durch den Remix-Fleischwolf gejagt?

Anne Clark: Durch meine Internet-Seite bekam ich andauernd Anfragen aus Australien oder Japan: „Wieso können wir deine Platten hier nicht kaufen?“Dieses Remix-Album ist eine Möglichkeit, meine Geschichte zusammenzufassen, auf den aktuellen Stand zu bringen und neuen Leuten zugänglich zu machen. Ich bin sehr stolz auf Word Processing, weil es so etwas wie die Würdigung meiner Arbeit bedeutet.

Die meisten Remixer stammen aus der Dance-Szene.

Meine Musik hat die Dance-Szene stark beeinflußt, auch wenn ich mich mit meiner eigenen Musik momentan wieder von Dance-Musik weg bewege. Für mein nächstes Album vertone ich z.B. Rilke-Gedichte auf sehr ruhige Weise. Aber Sven Väth hat „Sleeper in Metropolis“schon seit Jahren gespielt. Eigentlich wollten auch die Chemical Brothers einen Remix machen, aber ihre Plattenfirma meinte, sie sollten lieber erst einmal ihr eigenes Album fertig aufnehmen.

Machst du Lyrik, die von Musik untermalt wird?

Ich bin mir sicher, daß ein Literaturwissenschaftler meine Texte nicht für sehr anspruchsvoll befinden würde. Aber die Texte sind natürlich der Hauptteil meiner eigenen Arbeit. Genauso gehört aber die Musik zu meiner Person.

Hast du jemals versucht, einen Text nicht zu sprechen, sondern zu singen?

Ich habe mal mit David Harrow eine Version von „In The Year 2525“aufgenommen. Ich begann auf B zu singen, sang weiter auf B und blieb auf B. Seitdem scherze ich immer, daß mein Gesangsspektrum aus B besteht und lasse es mit dem Singen. Wenn Menschen singen, konzentriert sich der Zuhörer außerdem mehr auf die Art des Singens als auf die Worte.

Deine Texte sind moralisch, deine Musik ist melancholisch. Bist du das Gewissen der Elektronik-Szene?

Ich werde oft beschuldigt, düstere, depressive Musik und Texte zu schreiben. Aber das ist nicht der Punkt. Man muß auch die dunklen Seiten des Lebens reflektieren. Aber ich lebe auch sehr intensiv und genieße die einfachen Dinge des Lebens. Deshalb hatte ich nach meinen ganzen sozialen Texten das Bedürfnis, mich lyrisch mehr mit persönlichen, inneren Angelegenheiten zu beschäftigen. Es gibt noch viele Sachen, die mich wütend machen. Fragen: Timo Hoffmann Di, 2. September, 20 Uhr, Docks