Porno mit dem Präsidenten

■ Mit deftiger Splatter-Grammatik geraten die Metalperformer Gwar immer wieder ins Fadenkreuz besorgter Jugendschützer

Um Musik geht es bei Gwar nur am Rande. Zwar veröffentlichten die sieben Ex-Kunststudenten aus Virginia gerade ihr fünftes Album Carnival of Chaos, treten als Metal-Band auf, spielen auf echten Instrumenten und geben letztlich auch richtige Konzerte. Doch was da an musikalischer Beschallung aus den Boxen quillt, ist – da ist sich die Fachwelt einig – höchstens Untermalung zum künstlerischen Gesamtwerk. Metal für den Fahrstuhl, sozusagen. Das ist nicht weiter schlimm, denn das Programm zielt in eine ganz andere Richtung und ist dabei so explizit wie überschaubar.

Seit über sieben Jahren penetriert und massakriert die extraterrestrische Killer-Crew Gwar alles, was von materieller Substanz ist, mindestens eine Körperöffnung besitzt und im öffentlichen Leben steht. Und wer bislang glaubte, Armageddon werde nur einen Tag dauern, den belehren Gwar eindringlich und detailversessen eines Besseren. Noch nie sind amerikanische Präsidenten und der Papst so oft hingerichtet worden, und noch nie ging es so unverschämt blutig zu. Die Prozedur ist jedesmal dieselbe und die Unmengen von Kunstblut, Pappköpfen und Pseudo-Ejakulat, die dabei von der Bühne aufs Publikum niedersprühen, hätten locker den gesamten Oderbruch überflutet. Und jedesmal schreit das Metal-Volk im Takt nach mehr. Zur Aufrechterhaltung des Mythos müssen die eigenen Legenden halt immer wieder aufs Neue geschrieben werden. Das ist auch im Pop nicht anders.

Wegen ihrer aufdringlichen Splatter-Grammatik landen Konzertmitschnitte regelmäßig auf den Tischen bundesweiter Jugendschützer. Vor zwei waren Gwar sogar Besucher des Kirchentags. Freilich nicht als Gäste, sondern als abschreckendes Beispiel auf Video. Unter der Leitung von Jugendseelsorgern und christlichen Medienpädagogen feilschten besorgte Eltern mit ihren Kindern um das Recht auf Unterhaltung. Zur Einigung kam es dabei nie, denn die galaktischen Zerstörer um Oderus Ungerus befriedigen ein jugendliches Bedürfnis nach der medialen Ausreizung von Sex & Violence in einer Form, die Eltern überhaupt nicht verstehen sollen.

Denn es ist einfach cool, nach dem Konzert lachend und blutverschmiert U-Bahn zu fahren. Und alle glotzen. Berit Windisch Di, 2. September 21 Uhr, Markthalle