Die Straße auf der Bühne tanzen

■ Die Belgier Hush Hush Hush bringen mit „Carte Blanche“Flirts, Streitereien, Breakdance und anderen jugendlichen Leichtsinn zum Sommertheater Festival

In der Wandelhalle im Hauptbahnhof umringt eine Menschentraube ein paar junge Tänzerinnen und Tänzer. Aus einem kleinen Ghetto-Blaster dröhnt Rap-Musik. Doch hier tanzt nicht irgendeine Jugendgang, sondern die belgische Tanzgruppe Hush Hush Hush, die auf ihre Vorstellungen beim Sommertheater Festival aufmerksam machen will.

Aus vier Breakdancern und vier professionellen Tänzern setzt sich das Ensemble zusammen. Keiner von ihnen ist älter als 24 Jahre, bunt ist die Mischung der Nationalitäten. In ihrem Stück Carte Blanche geht es um die Dinge, die auf der Straße wichtig sind: flirten, Zeit totschlagen, streiten, kämpfen und tanzen.

Der junge Choreograph Abdelaziz Sassokh aus Marokko verbindet harten Breakdance mit weichen Elementen des zeitgenössischen Tanzes. Selbst wenn arabische oder afrikanische Einflüsse oder gar Anleihen aus der Klassik zu hören sind – auf der Straße ist auch das Hip- Hop.

Mit ironischer Überspitzung werden die Geschlechterrollen in Szene gesetzt. Die Tänzerinnen verkörpern – offensichtlich klischeehaft – das weiblich-weiche und introvertierte, während die Männer, mit ihren abgehackten und akrobatischen Bewegungen, die extrovertierten Buhler darstellen. Carte Blanche hat keine nacherzählbare Geschichte, sondern setzt sich aus einzelnen Beobachtungen und Episoden zusammen. Trotzdem ist die choreographische Balz ist nicht aus der Luft gegriffen: Sassokh war jahrelang Sozialarbeiter und weiß deshalb, wie die jugendlichen Liebesrituale ablaufen.

Auf dem Fliesenboden des Hauptbahnhofes sind dunkle Schweißflecke. Die Tänzer wälzen sich akrobatisch auf dem Boden. Jeder einzelne hat Klasse, doch sobald sie alle zusammen tanzen, gibt es Abstimmungsschwierigkeiten. Das Ensemble improvisiert nur, zeigt keine Ausschnitte ihrer Inszenierung. Um auf der Bühne die Straße zu zeigen, braucht es street credibility. Und zu dieser gehören auch Fehler, denn auf der Straße läuft nie alles glatt.

Oliver Nachtwey

Do, 28. bis 30. 8. , 20 Uhr, Kampnagel k6