Seid begraben, Milliarden!

Ab heute wird die vierte Elbtunnelröhre zwischen Waltershof und Othmarschen gebuddelt. Am Sinn zweifelt nicht nur  ■ Achim Fischer

Die Freie und Hansestadt Hamburg lädt für heute „zur feierlichen Taufe der Schildvortriebsmaschine, die den Tunnel für die vierte Röhre des Elbtunnels im Verlauf der Bundesautobahn A 7 graben wird“. Sechzehn Jahre Vorbereitung und elf Jahre Widerstand von Bürgern, Umweltverbänden und Verkehrspolitikern kann die „Taufgesellschaft“anschließend beim „Festschmaus“begießen. Und Martin Schmidt, Verkehrsexperte der GAL, wird sich abseits des Buffets den Spaß nicht verderben lassen. Natürlich komme er zum heutigen Grabungsbeginn der vierten Elbtunnelröhre. „Da werde ich meine Argumente vor der Weltpresse vertreten.“

1,5 Milliarden Mark wird der Bund unter der Elbe verbuddeln. Beziehungsweise: verbuddeln lassen. Denn Bonn hat kein Geld für derartige Mammutprojekte. Also wird der Tunnel von einem Firmenkonsortium auf dessen Rechnung bauen – und kauft die Immobilie in 15 Jahresraten zurück. Zu den Baukosten von 900 Millionen Mark kommen so „Finanzierungskosten“von 650 Millionen Mark hinzu. Die Banken wird es freuen. Den Bundesrechnungshof nicht. Deutschlands oberste Kassenhüter empfahlen 1995 den Verzicht auf „das nicht erforderliche Tunnelbauwerk“.

Hauptargument gegen die neue Röhre: 40 Prozent des Verkehrs ist rein Hamburger Stadtverkehr. Weitere 35 Prozent sind sogenannter Quell- und Zielverkehr. Das heißt: Die Fahrt beginnt oder endet in der Stadt. In beiden Fällen ließen sich mit einem besseren öffentlichen Nahverkehr Autofahrer von der Piste in Bahn und Busse locken, predigen Verbände wie der Verkehrsclub Deutschland oder der Naturschutzbund Deutschland schon seit Jahren. Bester Beweis: Als Anfang der 80er Jahre die S-Bahnstrecke Neugraben-Harburg-Bahnhof in Betrieb ging, stagnierte zum ersten und bis heute einzigen mal für zwei Jahre die Zahl der täglichen Autofahrten unter der Elbe.

Vor allem der Süderelberaum, von Finkenwerder über das Alte Land bis Buxtehude und Stade, müßte besser an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen werden, fordern die Verbände. Die am häufigsten genannte Möglichkeit: Eine eigene Busspur im Tunnel könnte attraktive Fahrtzeiten für ÖPNV-NutzerInnen zwischen Altona und dem Süderelberaum garantieren. „Man könnte die Spuren auch zeitlich befristet für Lkw öffnen, wenn wirklich eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Hamburg drohen sollte“, räumt Schmidt ein. Der VCD fordert weitere Gleise über die Elbe, etwa bei den überlasteten Elbbrücken zwischen Hauptbahnhof und Wilhelmsburg. Die GAL schlägt vor, die Trasse der Hafenbahn in Richtung Stadt für den öffentlichen Zugverkehr zu nutzen.

Statt dessen hat Niedersachsen noch für dieses Jahr den Baubeginn für die A 26 quer durch das Alte Land beschlossen. Sie wird jedes öffentliche Nahverkehrsangebot in puncto Schnelligkeit ausstechen. Und sie wird deshalb weiteren Verkehr vor den Tunnel spülen. Und in die Stadt ausspeien. „Wenn die Straßenverbindungen gut sind, werden die Bürger sie natürlich auch nutzen. So wird der innerstädtische Verkehr nicht wie versprochen entlastet, es wird nur noch mehr Verkehr in die Innenstadt gezogen“, sagt Manfred Prügel vom Naturschutzbund.

„Wenn Hamburg gezwungen wäre, bis in alle Ewigkeit mit drei Röhren auszukommen, dann würde die Stadt eine ganz andere Verkehrspolitik betreiben“, so Schmidt. Zum Beispiel eine „Anti-Stau-Politik“. Mathematiker haben längst nachgewiesen: Staus entstehen in erster Linie durch unterschiedliche Geschwindigkeiten. Erst danach spielt das Verkehrsaufkommen eine Rolle. Die ideale Geschwindigkeit liegt bei 60 bis 70 Stundenkilometern. Sie müßte schon Kilometer vor dem Tunnel eingehalten werden.

„Aber sechzig auf der Autobahn“, sagt Schmidt, „das können sich die meisten nicht vorstellen.“Da taufen sie doch lieber Schildvortriebsmaschinen.