Richter als Klettermax

■ Im Prozeß um Demo-Hauereien blamierten sich die Polizei-Zeugen

Die Einlage hatte Unterhaltungs-wert. Richter Michael Kaut erhob sich, kletterte kurzentschlossen auf sein Pult und bat den Polizisten Björn K., ihm doch bitte in den Bauch zu treten. Zuvor hatte der Beamte behauptet, der auf dem Erdboden stehende Student Claus S. habe seinen Kollegen Christian V. mit Tritten in Bauchhöhe attackiert, als der auf einer „tischhohen Empore“stand. Deshalb habe er gegen S. mit Reizgas und dem „Abdrängstab“vorgehen müssen.

Obwohl das spontane Rollenspiel die physikalische Unmöglichkeit der behaupteten Attacke belegte, blieb Björn K. bei seiner Aussage. Richter Kaut legte daraufhin den Anklägern und der Verteidigung nahe, „auf die Vernehmung dieses Zeugen zu verzichten“.

Die Klettereinlage war der Höhepunkt des zweiten Verhand-lungstages im Landgerichtsverfahren gegen den Studenten Claus S. und den Erzieher Gunnar G. Den beiden wird vorgeworfen, bei einer Demo vor der Roten Flora im Schanzenviertel am 16. Juni 1995 Polizeibeamte angegriffen zu haben. Die Angeklagten hingegen werfen mehreren Beamten des Einsatzzugs Mitte „Körperverletzung im Amt“vor. So war Gunnar G. am Boden liegend von mehreren Polizisten verprügelt worden. Als Andenken behielt er eine Kopfplatzwunde, irreparable Nackenwirbel-Schäden und andere Verletzungen zurück. Ob gegen die Prügel-Polizisten Anklage erhoben wird, will die Staatsanwaltschaft von den Erkenntnissen abhängig machen, die sie aus dem Verfahren gegen Gunnar G. und Claus S. gewinnt.

Obwohl die als Zeugen geladenen Beamten auf dem Gerichtsflur ausführlich ihre Aussagen durchsprachen, lieferten sie bei der Vernehmung unterschiedlichste Versionen des Geschehens ab. So konnte sich der angeblich von Claus S. mit Tritten malträtierte Christian V. nur daran erinnern, daß unbekannte DemonstrantInnen versucht hätten, ihn „wegzuzerren“.

Der Beamte erklärte zudem, „mit einem Schlagstockeinsatz das Treten“von Gunnar G. gegen zwei Kollegen unterbunden zu haben. Doch die beiden Beamten sagten gestern aus, sie hätten gar keine gegen sich gerichteteten Tritte wahrgenommen. mac